11.08.2016

Zulässigkeit der Weitergabe von aus dem Ankauf von sog. "Steuer-CDs" resultierenden Daten an den Landtag

Der Schutz des Steuergeheimnisses bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen ist durch das parlamentarische Fragerecht des saarländischen Ausschusses für Finanzen und Haushaltsfragen im öffentlichen Interesse eingeschränkt. Bei der mit der Aufklärung eines Sachverhalts verbundenen Beschaffung von Informationen handelt ein parlamentarischer Ausschuss - jedenfalls gegenüber dem betroffenen Bürger - wie ein Verwaltungsorgan und wird wie eine Behörde tätig. Der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet.

FG Saarbrücken 27.4.2016, 2 V 1088/16
Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner hatte sich am Ankauf sog. "Steuer-CDs", die Daten zu ausländischen Kapitalanlagebeträgen von im Inland steuerpflichtigen Personen enthalten, beteiligt. So erwarb er u.a. ein Datenpaket von der rheinland-pfälzischen Finanzverwaltung aus dem Jahr 2012. Dieses enthielt Angaben zu Kapitalanlagen von insgesamt 356 saarländischen Steuerpflichtigen bei der Credit Suisse AG. Darunter befand sich auch eine Kapitalanlage des Antragstellers. Die Steuerfahndungsstelle für die Finanzämter des Saarlandes eröffnete im April 2015 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den Antragsteller ein Strafverfahren. Es wurde allerdings mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Ende des Jahres 2015 wurde öffentlich bekannt, dass die Daten der vom Land Rheinland-Pfalz erworbenen "Steuer-CD" von der zuständigen Steuerfahndungsstelle über Monate bzw. Jahre hinweg nicht ausgewertet und mögliche Steuerstraftatbestände mithin nicht verfolgt worden waren. Daraufhin beschloss der Ausschuss, den Minister für Finanzen und Europa zu ersuchen, ihm die vollständige Liste der 356 Fälle mit sämtlichen darin befindlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Der Antragsteller stellte daraufhin den Antrag, es dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss einer noch zu erhebenden Klage in der Hauptsache zu untersagen, dem Ausschuss seinen Namen und seine steuerlichen Verhältnisse zu offenbaren.

Das FG wies den Antrag zurück. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtswegfrage die Beschwerde zugelassen.

Die Gründe:
Dem Antragsteller steht keine einstweilige Maßnahmen rechtfertigende Rechtsposition i.S. eines Anordnungsanspruchs zu. Ein solcher ergibt sich weder aus § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 30 AO noch aus Art. 2 Abs. 2 und 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 2 S. 2 SVerf.

Zwar unterliegen die Informationen dem Schutz des Steuergeheimnisses bzw. dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses wird jedoch durch das parlamentarische Fragerecht des Ausschusses eingeschränkt, und die Weitergabe der Daten hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen den Individualrechten des Antragstellers und dem parlamentarischen Kontrollrecht des Ausschusses.

Vorliegend war der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet. Es handelt sich nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Bei der mit der Aufklärung eines Sachverhalts verbundenen Beschaffung von Informationen handelt ein parlamentarischer Ausschuss - jedenfalls gegenüber dem betroffenen Bürger - wie ein Verwaltungsorgan und wird wie eine Behörde tätig. Korrespondierend dazu ist auch die Erteilung der Auskunft durch die von der Anfrage betroffene Behörde eine Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und nicht des Verfassungsrechts.

Die Streitigkeit betrifft eine Abgabenangelegenheit. Nach der Legaldefinition in § 33 Abs. 2 FGO sind dies alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheiten. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine solche Maßnahme nicht vorliege, wenn die handelnde Behörde lediglich in Erfüllung eines parlamentarischen Auskunftsrechts tätig werde. Daher sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, selbst wenn die Verletzung des § 30 AO gerügt werde. Andererseits hat der BFH zu einer Aktenvorlage an einen Untersuchungsausschuss ausgeführt, dass die Regierung bzw. die Verwaltung zu prüfen habe, ob überhaupt ein notwendiger Zusammenhang der Information mit dem Untersuchungsgegenstand bestehe, denn die  Regierung nehme ihre eigene Verantwortung wahr, wenn sie dafür sorge, dass geheim zu haltende Tatsachen nicht ohne Notwendigkeit dritten Stellen, seien es solche der Exekutive, der Legislative oder der Judikative, zugänglich gemacht würden (BFH v. 1.12.1992, Az.: VII B 126/92).

Zugleich ist die Regierung nicht verpflichtet, auf eine parlamentarische Anfrage in der Sache zu antworten, wenn die Beantwortung der Frage berechtigte Geheimhaltungsinteressen oder Grundrechte anderer verletzen würde. Einhergehend mit diesem Recht besteht damit auch die Pflicht für den Antragsgegner, zu prüfen, wie dem Kontrollauftrag des Parlaments genügt und zugleich das Dienst- bzw. Steuergeheimnis gewahrt werden kann oder ob dieses im übergeordneten öffentlichen Interesse durchbrochen werden muss.

Linkhinweis:

FG des Saarlandes online
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