Zum Abschreibungsbeginn bei Windkraftanlagen
BFH 1.2.2012, I R 57/10Die Klägerin hatte im Juli 2000 einen Kaufvertrag den Erwerb von zwei Windkraftanlagen geschlossen. Diese Anlage wurde im Dezember 2000 auf dem von der Klägerin gemieteten Grundstück errichtet. Im Februar 2001 wurde erstmals Strom in das Netz des Energieversorgungsunternehmens eingespeist. Laut "Inbetriebnahme- und Abnahmeprotokollen" vom 16.5.2001 wurden die Windenergieanlagen am 15. bzw. am 22.3.2001 erfolgreich in Betrieb genommen. Nach einem weiteren Protokoll vom 16.5.2001 ging die "Verfügungsgewalt" über die Anlagen sowie die "Beweisführungspflicht eines mangelhaften Produktes" sofort auf die Klägerin über. Der vereinbarte Probebetrieb sei abgeschlossen.
Im Dezember 2000 hatte die S-GmbH der Klägerin eine Schlussrechnung über rund 6,1 Mio. DM erteilt. Daraufhin leistete die Klägerin, die zuvor im Oktober sowie Dezember 2000 bereits Abschlagszahlungen erbracht hatte, im Februar 2001 weitere 3,2 Mio. DM und eine Restzahlung von 307.400 DM mit Abschluss des Probebetriebs. Sie ging von einer einheitlichen "Gesamtanlage" aus und schrieb diese erstmals im Streitjahr 2000 gem. § 7 Abs. 2 EStG 1997 mit 25 % ihrer Anschaffungs- und Herstellungskosten ab. Außerdem machte sie für die Streitjahre 2000 bis 2002 Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1997 geltend.
Das Finanzamt vertrat jedoch die Ansicht, dass es sich bei der Zuwegung, der externen Verkabelung einschließlich Übergabestation sowie den beiden Windkraftanlagen samt Fundament und Trafostation um vier Wirtschaftsgüter mit jeweils eigenständigen Nutzungsdauern handele. Die Anlagen könnten noch nicht im Streitjahr 2000 abgeschrieben werden, da das wirtschaftliche Eigentum erst mit der Abnahme der Anlagen im Mai 2001 auf die Klägerin übergegangen sei. Da die nach § 7g Abs. 2 Nr. 1 EStG 1997 zu wahrende Wertgrenze des Betriebsvermögens nach den Verhältnissen zum 31.12.2000 überschritten worden sei, scheide auch eine Sonderabschreibung aus. Die Behörde kürzte die geltend gemachten Abschreibungen entsprechend.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Aufgrund der Feststellungen des FG konnte nicht beurteilt werden, ob die Klägerin bereits im Jahr 2000 zur Inanspruchnahme der begehrten Abschreibungen befugt war.
Gem. § 7 Abs. 2 EStG 1997 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewSt) kann das Einkommen bei Erwerb abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens um Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen gemindert werden (sog. degressive Abschreibung). Zusätzlich können bei neuen Wirtschaftsgütern der vorbezeichneten Art nach § 7g Abs. 1 EStG 1997 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) im Jahr der Anschaffung und den folgenden vier Jahren Sonderabschreibungen bis zu 20 % der Anschaffungskosten in Anspruch genommen werden. Beide Abschreibungen setzen die Anschaffung des in Frage stehenden Wirtschaftsguts und damit nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut i.d.S. erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist.
Infolgedessen war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden Windkraftanlagen sowie der externen Übergabestation um jeweils selbständige Wirtschaftsgüter handelt. Außerdem war ihm darin zu folgen, dass die Klägerin die beiden Anlagen nicht hergestellt, sondern angeschafft hatte. Das Begehren der Klägerin, bereits für das Streitjahr 2000 Abschreibungen für die Anlage vorzunehmen, war auch nicht deshalb von vorneherein abzuweisen, weil die externe Verkabelung einschließlich der Übergabestation erst im Folgejahr fertig gestellt worden war und mithin im Jahr 2000 noch keine Stromerzeugung und -einspeisung möglich war.
Soweit das FG jedoch angenommen hatte, dass die Klägerin die Windkraftanlagen noch im Dezember 2000 angeschafft hat, wurde diese Einschätzung nicht durch die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz getragen. Die Klägerin war zwar mit der Anlieferung sowie dem Aufstellen der Anlagen und damit noch vor Ablauf des Jahres 2000 deren Besitzerin in der Erwartung geworden, im Folgejahr das zivilrechtliche Eigentum an den Anlagen zu erwerben. Allein hierdurch war sie jedoch noch nicht als wirtschaftliche Eigentümerin der Windkraftanlagen zu qualifizieren. Hiergegen sprach nicht nur, dass sie vor Fertigstellung der externen Verkabelung keine Nutzungen aus den Anlagen ziehen konnte. Vielmehr ist nach BFH-Rechtsprechung die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls dann an den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache gebunden, wenn der Verkäufer (Werklieferer) eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll.
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