Zum Anspruch auf Auskunft über den tatsächlichen Empfänger einer Leistung i.S.d. § 160 Abs. 1 AO
OLG Hamburg 4.5.2016, 8 U 92/15Die Beklagte betreibt im Internet ein Amateur-Erotikportal. Sie bietet sog. Affiliate-Partnerprogramme an. Dabei handelt es sich nach § 2 der AGB der Beklagten um eine internetbasierte Vertriebslösung, bei der ein kommerzieller Anbieter (hier die Beklagte) verschiedene Vertriebspartner (sog. Affiliates) erfolgsabhängig durch eine Provision vergütet. Dabei bewerben die sog. Affiliates die Angebote und Produkte der Beklagten auf ihrer jeweiligen Webseite und erhalten bei einer erfolgreichen Vermittlung der Angebote bzw. Produkte der Beklagten eine vordefinierte Provision.
Die Klägerin, die ihren Sitz auf den Seychellen hat, registrierte sich im April 2014 zunächst unter Angabe der Daten "C L. NA" als ein solcher Affiliate auf der Webseite der Beklagten. Auf den Hinweis der Beklagten, dass diese Daten zur Teilnahme an dem Affiliate-Partnerprogramm nicht ausreichend seien, ergänzte die Klägerin ihre Angaben um die Daten "Fa. B. Seychellen" und die Angaben eines Schweizer Bankkontos. Provisionspflichtige Vermittlungen konnte die Klägerin bereits seit April 2014 durchführen und erwarb seitdem auch Provisionsansprüche i.H.v. insgesamt € 6.569 €. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Provisionsansprüche April bis September 2014 ein Versäumnisurteil erwirkt und die Klage nach Einspruch der Beklagten um die Provisionen von Oktober 2014 bis März 2015 erhöht. Das LG hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Beklagte darüber hinaus antragsgemäß verurteilt.
Die Beklagte war der der Ansicht, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB zustehe. Die Klägerin sei verpflichtetet, Auskunft darüber zu erteilen, wer der wirtschaftlich berechtigte Empfänger der zu zahlenden Provisionsansprüche sei. Diese Verpflichtung bestehe, egal ob als Nebenpflicht oder aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung bei Vertragsschluss. Sie ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte ihrerseits gem. § 160 Abs. 1 AO verpflichtet sei, die Empfänger der Provisionszahlungen zu benennen. Das OLG wies die Berufung der Beklagten jedoch zurück.
Die Gründe:
Der Beklagten stand gegen die Klägerin weder ein Auskunftsanspruch aus dem Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag noch ein allgemeiner Auskunftsanspruch aus vertraglichen Nebenpflichten i.V.m. § 242 BGB zu.
Die Beklagte hatte sich weder in den AGBs zum Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag noch in sonstiger Weise einen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin bei Vertragsschluss vorbehalten oder einräumen lassen. Etwas Gegenteiliges wurde von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Die Klägerin schuldete auch nicht im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflichten die von der Beklagten geltend gemachte Auskunft. Denn der Beklagten stand kein allgemeiner Auskunftsanspruch zu.
Nur ausnahmsweise kann nach Treu und Glauben für den Schuldner eine Auskunftspflicht bestehen, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH-Urt. v. 13.12.2001, Az.: I ZR 44/99). Die geforderten Angaben müssen dabei zur Erreichung des Vertragszwecks unbedingt erforderlich sein. Verlangt werden können daher insbesondere nur solche Angaben, die für die Geltendmachung des Hauptanspruchs auch tatsächlich benötigt werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte das LG mit Recht verneint, dass zur Abwicklung des Affiliate-Partnerprogramms eine Auskunft über die Frage, ob hinter der Klägerin weitere Personen stehen, denen die Provisionszahlungen zugutekommen, erforderlich ist. Dem stand nicht entgegen, dass die Beklagte gem. § 160 Abs. 1 AO gegenüber dem Finanzamt die steuerrechtliche Pflicht traf, den (wahren) Empfänger von Betriebsausgaben zu benennen und bei der Ermittlung von Auslandssachverhalten i.S.d. § 90 Abs. 1 AO mitzuwirken. Denn in diese etwaigen steuerlichen Mitwirkungs- und Benennungspflichten war die Klägerin nicht mit einbezogen. Die Klägerin war nicht "Beteiligte" i.S.v. 90 Abs.1 AO bei der Besteuerung der Beklagten.
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