Zum Anspruch auf Kindergeld bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen
FG Düsseldorf 28.5.2018, 7 K 123/18 KgDie Klägerin begehrt Kindergeld für ihre 1992 geborene Tochter ab August 2013. Die Tochter machte zunächst eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, die sie im Juli 2013 abschloss, Die Klägerin teilte der Familienkasse mit, das Ausbildungsverhältnis sei beendet. Die Tochter arbeitet seit Juli 2013 als vollbeschäftigte Verwaltungsangestellte. Vom 30.11.2013 bis zum 7.7.2016 besuchte sie daneben den Verwaltungslehrgang II beim Studieninstitut. Das Abschlusszeugnis wurde unter dem 29.6.2016 erstellt.
Die Klägerin beantragte im Oktober 2017 die Zahlung von Kindergeld ab August 2013, die Familienkasse lehnte die Kindergeldgewährung ab. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie trägt vor, sie habe im Juli 2013 gar nicht mitteilen können, dass die Tochter ein weiteres Berufsziel anstrebte. Die Zulassung zur Fortführung der Ausbildung habe vom Dienstherrn schriftlich beantragt und vom Studienleiter beschieden werden müssen, die Zulassung habe der Dienstherr erst beantragen müssen. Der Lehrgang habe erst im November 2013 begonnen.
Das FG gab der Klage überwiegend statt. Die Revision zum BFH wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld für den Monat Juli 2017. Die Tochter war im Monat Juli 2017 nicht mehr in Berufsausbildung und erfüllte daher die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG nicht. Eine Ausbildung endet in dem Zeitpunkt, in dem das Prüfungsergebnis bekannt geben wird. Das war im Juni 2017, das Zeugnis datiert vom 29.6.2017. Von einer Beendigung der Ausbildung in diesem Monat ging auch die Klägerin in ihrem abschlägig beschiedenen Kindergeldantrag aus, sie hat Kindergeld nur bis einschließlich Juni 2017 beantragt. Auch aus letzterem Grund kann Kindergeld nicht darüber hinaus für den Monat Juli 2017 gewährt werden. Für den weiteren streitigen Zeitraum steht der Klägerin hingegen ein Anspruch auf Kindergeld für die Tochter zu.
Die Tochter befand sich bis zum Abschluss des Angestelltenlehrgangs II in der Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor. Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.
Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind nach der Rechtsprechung des BFH dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.
Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich hier daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich (Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung) beziehen und nach den Ausbildungsplänen aufeinander aufbauen. Für den zeitlichen Zusammenhang reicht es aus, dass die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und zur Verwaltungsfachwirtin im direkten Anschluss erfolgt ist. Angestrebtes Berufsziel der Tochter der Klägerin war eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der Kommunalverwaltung. Nach ihrer schlüssigen und glaubhaften Zeugenaussage hatte sie sich hierfür bereits nach dem Abitur beworben, aber keine Zusage erhalten, so dass sie den Einstieg über die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten genommen hat, um unmittelbar danach den Angestelltenlehrgang II zu besuchen.
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