Zum Anspruch auf Kindergeld für die Dauer eines sog. dualen Studiums
FG Münster 22.8.2014, 4 K 1914/14 KgDer Kläger bezog für seinen im Jahr 1991 geborenen Sohn Kindergeld. Dieser hatte nach Ende seiner Schulausbildung im August 2011 eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann aufgenommen. Die Ausbildung sollte drei Jahre andauern.
Anfang 2012 hoben der Arbeitgeber und der Sohn des Klägers den vorgenannten Ausbildungsvertrag einvernehmlich auf und schlossen einen neuen Berufsausbildungsvertrag zum Industriekaufmann, der zum 1.8.2012 in Vollzug gesetzt werden und bis zum 31.1.2014 andauern sollte. Daneben vereinbarten sie, dass der Sohn ausbildungsbegleitend ein sechssemestriges Studium zum "Bachelor of Arts (Business Administration)", ein sog. Duales Studium, absolviert. Die Studienkosten sollten beide Seiten je zur Hälfte tragen. Für den Kündigungsfall wurde eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart.
Anfang 2014 bestand der Sohn die IHK-Abschlussprüfung zum Industriekaufmann. Mit Wirkung zum 15.1.2014 schlossen beide Seiten nochmal ein - diesmal bis zum Abschluss des Bachelor-Studiums befristetes - Arbeitsverhältnis. Der Kläger beantragte im April 2014 die Fortzahlung des Kindergeldes für seinen Sohn im Hinblick auf dessen noch andauerndes Studium an der Berufsakademie. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab und führte an, der Sohn habe seine erste Berufsausbildung zum Industriekaufmann bereits abgeschlossen. Die besonderen Berücksichtigungsvoraussetzungen von § 32 Abs. 4 S. 2 u. 3 EStG lägen nicht vor.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger kann für seinen Sohn, der während des Streitzeitraums noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte, Kindergeld beanspruchen.
Zwar hatte der Sohn bereits im Januar 2014 seine (erste) Berufsausbildung abgeschlossen. Aber er befand sich auch darüber hinaus in einer Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG. Dass er insoweit keinem Vollzeit-Studium nachging, sondern nur an einzelnen Tagen in der Woche die Berufsakademie besuchte, war für die Annahme einer Berufsausbildung im kindergeldrechtlichen Sinne unschädlich. Schließlich setzt der Tatbestand der Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG nicht voraus, dass die Vorbereitung auf den künftigen Beruf die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht.
Die Berufsausbildung des Sohnes zum "Bachelor of Arts" ab Februar 2014 war auch kindergeldrechtlich begünstigt. Zwar überschritt der Umfang seiner "Erwerbstätigkeit" die Unschädlichkeitsgrenze von 20 Stunden/Woche. Der Sohn des Klägers befand sich allerdings über den Abschluss seiner Berufsausbildung zum Industriekaufmann hinaus in einem Ausbildungsdienstverhältnis. Hierbei war nicht entscheidend, dass er während des Streitzeitraums nicht mehr in einem Berufsausbildungsverhältnis i.S.v. §§ 4 ff., 52 BBiG stand, sondern für die Zeit ab Beendigung der Berufsausbildung zum Industriekaufmann ein - befristetes - Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Schließlich geht der Begriff des Ausbildungsdienstverhältnisses i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 3 EStG weiter als derjenige der Berufsausbildung im vorgenannten Sinne; er umfasst sämtliche Dienstverhältnisse, die eine Ausbildungsmaßnahme zum Gegenstand haben.
Das Hessische FG hat in seiner Entscheidung vom 21.11.2013 (Az.: 8 K 807/12), der ein durchaus vergleichbarer Sachverhalt (IHK-Ausbildung zum Fachinformatiker sowie duales Bachelor-Studium mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik) zugrunde lag, den Kindergeldanspruch für Zeiten nach Abschluss der IHK-Prüfung verneint. Das Revisionsverfahren gegen die Entscheidung wird beim BFH unter dem Az. XI R 1/14 geführt.
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