Zum Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verrechnungsstundung
FG Köln 29.9.2016, 10 K 2772/15Die Klägerin war in den Jahren 2011/2012 als Bauträgerin tätig. Sie errichtete Bauwerke, um diese später weiter zu veräußern. Im Rahmen des § 13b UStG führte sie die mit diesen Umsätzen im Zusammenhang stehende Umsatzsteuer (für die Bauleistung) an das Finanzamt ab, da sie davon ausging, diese Umsatzsteuer zu schulden. Die Klägerin schuldet unstreitig Körperschaftsteuer 2013 i.H.v. rd. 34.000 €. Im Februar 2014 beantragte sie die Erstattung der Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 i.H.v. rd. 35.000 €. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe des Umsatzsteuererstattungsbetrags erhob das Finanzamt nicht. Der noch für eine Verrechnungsstundung zur Verfügung stehende Betrag ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Das Finanzamt schrieb daraufhin 27 Firmen, die an die Klägerin Bauleistungen erbracht hatten, mit der Frage an, ob diese von einer Forderungsabtretung der ihnen gegenüber der Klägerin zustehenden Umsatzsteueransprüche zugunsten der Finanzbehörde Gebrauch machen wollten. Von den angeschriebenen Firmen meldeten sich einige zurück, von denen wiederum einige ihre Umsatzsteueransprüche gegenüber der Klägerin an den Beklagten abtraten. Die Klägerin beantragte im Juni 2015 Verrechnungsstundung der festgesetzten, nachzuzahlenden Körperschaftsteuer 2013 mit dem von ihr berechneten Guthaben aus der zu ändernden Umsatzsteuer 2011 und 2012 i.H.v. rd. 35.000 €. Das Finanzamt lehnte dies ab. Mögliche Gegenansprüche seien erst dann hinreichend konkretisiert und im Stundungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die Berechnungsgrundlagen bei ihm eingereicht und somit nachprüfbar seien.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Verfügung des Finanzamts, mit der eine Verrechnungsstundung der Körperschaftsteuer 2013 abgelehnt wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten.
Gem. § 222 S. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Grundsätzlich steht die Entscheidung, ob Steueransprüche zu stunden sind, im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Allerdings reduziert sich deren Ermessen auf null, wenn der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Stundung hat. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderung der Finanzbehörde einen zumindest gleich hohen Gegenanspruch gegenüber der Behörde hat. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass es gegen Treu und Glauben verstößt, etwas zu fordern, was sogleich zurückgewährt werden muss.
Im Streitfall hat die Klägerin einen Umsatzsteuererstattungsanspruch wegen zu hoher Umsatzsteuerzahlungen in den Jahren 2011 und 2012. Gegen diesen Anspruch kann das Finanzamt mit Gegenansprüchen aufrechnen, die ihm aus abgetretenem Recht gegenüber der Klägerin zustehen. Die Weigerung des Finanzamts, der Klägerin unter Hinweis auf § 27 Abs. 19 UStG die überzahlte Umsatzsteuer 2011 und 2012 zu erstatten, ist nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift betrifft einzig und allein das Verhältnis der Finanzbehörde zu den Bauleistern als den richtigen Steuerschuldnern. Das Finanzamt gibt für seine Auffassung, diese Vorschrift hätte irgendetwas mit dem Steuerrechtsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin zu tun, keine Begründung ab.
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