21.10.2016

Zum Ausschluss von Kindergeld bei Gewährung vergleichbarer Leistungen von zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen

Der Anspruch auf Kindergeld einer im Inland wohnhaften Beamtin der Bundesrepublik Deutschland für ihr im Inland lebendes, minderjähriges Kind ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie mit dem bei der Europäischen Kommission beschäftigten Kindesvater, der für das betreffende Kind Anspruch auf eine Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder hat, nicht verheiratet ist.

BFH 13.7.2016, XI R 16/15
Der Sachverhalt:
Die seit 2003 als Bundesbeamtin tätige Klägerin beantragte im November 2012 bei der beklagten Familienkasse für ihre im Oktober 2011 geborene Tochter (T) Kindergeld ab Dezember 2012. Sie gab dabei an, dass der Kindesvater, mit dem die Klägerin nicht verheiratet ist und der seit der Geburt von T das Kindergeld bezogen hat, seit Juli 2012 bei der EU-Kommission beschäftigt sei und dort für T einen Kinderzuschlag erhalte. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin ab, weil der Kindesvater dem Kindergeld ähnliche Leistungen erhalte und somit in Deutschland kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Familienkasse hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der dem Grunde nach bestehende Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld für T nicht ausgeschlossen ist.

Die im Inland wohnende Klägerin hat gem. §§ 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für T für den streitigen Zeitraum von Dezember 2012 bis August 2013. Dieser Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld ist nicht nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Kindergeldanspruchs sind hier nach dem Wortlaut dieser Regelung zwar erfüllt. Kindergeld wird danach nicht für ein Kind gezahlt, für das eine Leistung, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt wird und dem Kindergeld vergleichbar ist, zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre. Danach wäre der Anspruch der Klägerin ausgeschlossen. Denn die dem Kindesvater seit Juli 2012 gem. Art. 67 Abs. 1 Buchst. b EU-Beamtenstatut gewährte Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder stellt eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung i.S.d. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG dar.

Auch greift der Ausschluss des Kindergeldanspruchs der Klägerin nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 65 Abs. 1 S. 3 EStG dem Wortlaut nach nicht erfüllt sind. Steht ein Kindergeldberechtigter im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der EU für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat (§ 65 Abs. 1 S. 3 EStG). Der Gesetzgeber hatte in § 8 Abs. 1 S. 2 BKGG a.F. diese mit § 65 Abs. 1 S. 3 EStG fortgeführte Rückausnahme für unselbständig tätige Ehegatten geschaffen, um einem entsprechenden EuGH-Urteil Rechnung zu tragen. Da die Klägerin mit dem Kindesvater nicht verheiratet ist, sie mithin nicht die Voraussetzung erfüllt, Ehegatte eines hinsichtlich der Kinderzulage berechtigten Beamten der EU zu sein, liegen die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 65 Abs. 1 S. 3 EStG nicht vor. Die Auslegung des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG hat jedoch unter Beachtung der Anforderungen des Primärrechts der EU zu erfolgen.

Nach Auffassung des EuGH kann einem nach nationalen Rechtsvorschriften Kindergeldberechtigten die Zahlung von Kindergeld unter Hinweis auf die Kinderzulage nach Art. 67 Abs. 1 Buchst. b EU-Beamtenstatut nicht verweigert werden, wenn dieser eine unselbständige Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausübt, weil in diesem Fall die nach Art. 67 Abs. 1 Buchst. b EU-Beamtenstatut zu gewährende Familienbeihilfe nach Art. 67 Abs. 2 EU-Beamtenstatut nachrangig ist. Der EuGH hat daher in seinen Urteilen Kommission/Deutschland und Kommission/Belgien - bezogen auf Ehegatten des EU-Beamten - entschieden, dass es einem Mitgliedstaat untersagt ist, die Zahlung von in seinem eigenen Recht vorgesehenen Familienbeihilfen unter Hinweis auf die Möglichkeit zu verweigern, dass für dasselbe Kind Zulagen nach dem EU-Beamtenstatut in Anspruch genommen werden können. Art. 67 Abs. 2 EU-Beamtenstatut ist hinsichtlich nicht verheirateter Elternteile in gleicher Weise anzuwenden. Sowohl das EU-Beamtenstatut als auch § 63 EStG stellen nicht darauf ab, dass es sich bei dem betreffenden Kind um ein eheliches Kind handelt.

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