Zum Beginn der Verjährung eines durch eine weitere Beratung entstandenen Schadens nach fehlerhafter steuerlicher Erstberatung
BGH 23.4.2015, IX ZR 176/12Die mit der Vermietung von Fahrzeugen befasste Klägerin verlangt von den Beklagten, soweit noch von Interesse, Schadensersatz wegen einer steuerlichen Gestaltungsberatung. Sie war Eigentümerin des Betriebsgrundstücks in S. Fahrzeuge und Betriebsgrundstück vermietete sie an die K-GmbH, welche die Fahrzeuge weitervermietete. Zwischen der Klägerin und der K-GmbH bestand eine gewerbesteuerliche Organschaft. Die Beklagte zu 1) ist Rechtsnachfolgerin der O-AG. Der Beklagte zu 2) war Vorstand und Aktionär der O-AG. Nachdem die Klägerin in N eine Betriebstätte eröffnet hatte, um den dortigen niedrigen Gewerbesteuerhebesatz in Anspruch nehmen zu können, überprüfte die O-AG die bestehende gewerbesteuerliche Gestaltung. Sie riet dazu, die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der K-GmbH aufzuheben.
Damit sollte erreicht werden, den der Gewerbesteuer unterliegenden Ertrag der Klägerin in N und den der K-GmbH in S zu versteuern. Hierzu wurde die K-GmbH in die K-GmbH & Co. KG umgewandelt. Einzige Kommanditistin der KG und einzige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH wurde die Klägerin. Für die Umwandlung der GmbH in eine KG entstanden Kosten i.H.v. insgesamt rd. 20.000 €. Im Jahre 2003 wechselte die Klägerin ihren steuerlichen Berater. Der neue Berater wies darauf hin, dass die seitens der O-AG empfohlene gesellschaftsrechtliche Gestaltung zur Erzielung der beabsichtigten Gewerbesteuerersparnis ungeeignet war, weil eine Mitunternehmerschaft begründet worden und dadurch ein gewerbesteuerlich ebenfalls in S zu erfassendes Sonderbetriebsvermögen der Klägerin bei der KG entstanden war. Auf Anraten des neuen Beraters wurde die KG aufgelöst. Die Klägerin wurde deren Gesamtrechtsnachfolgerin.
Für seine Beratungstätigkeit beanspruchte der neue Berater noch gegenüber der KG insgesamt rd. 21.000 €. Die erste Rechnung datiert vom 4.7.2003 und wurde am 17.7.2003 bezahlt. Diese Kosten und diejenigen der vorangegangenen Umwandlung machte die Klägerin mit Schreiben vom 9.12.2004 gegenüber der O-AG und deren Haftpflichtversicherer geltend. Unter dem 22.12.2004 wies der Versicherer die Ansprüche im Namen der O-AG insgesamt zurück. Im Zeitraum vom 18.4.2005 bis zum 25.1.2006 fand eine steuerliche Außenprüfung der Klägerin statt, die sich auch auf ihre Rechtsvorgängerinnen erstreckte. Infolge der Außenprüfung kam es ab dem 19.6.2006 zur Neufestsetzung der Gewerbesteuer für die Erhebungszeiträume 2001 bis 2003, die den eigentlichen Steuerschaden begründete. Ferner wurden Nachzahlungszinsen erhoben. Mit ihrer am 27.9.2006 eingegangenen Klage nahm die Klägerin zunächst nur die Beklagte zu 1) in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 15.11.2010 erweiterte sie ihre Klage auf den Beklagten zu 2).
Das LG gab der Klage i.H.d. Umwandlungskosten von 20.000 €, der Kosten des neuen Beraters von 22.000 € und eines Steuerschadens nebst Nachzahlungszinsen von rd. 1,1 Mio. € statt. Das OLG kürzte den Steuerschaden um rd. 515.000 €. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und änderte das Urteil des LG dahingehend, dass es der Klage i.H.v. rd. 201.000 € stattgab und die weitergehende Klage abwies.
Die Gründe:
Nach dem hier noch anzuwendenden § 68 StBerG a.F. ist der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Umwandlungskosten i.H.v. rd. 20.000 € sowie der Kosten des neuen Beraters von rd. 21.000 € verjährt.
Solange es am Zugang eines belastenden Steuerbescheids fehlt, ist ein Steuerschaden noch nicht entstanden. Neben dem steuerlichen Schaden kann eine steuerliche Fehlberatung weitere Schäden verursachen. Als solche Schäden kommen vorliegend sowohl die Kosten für die Umsetzung der fehlerhaften Gestaltungsberatung durch die O-AG (Umwandlung in GmbH & Co. KG) als auch die bei der späteren Auflösung dieser Gesellschaft entstandenen Beratungskosten in Betracht. Das bedeutet allerdings nicht, der Zugang des Steuerbescheids bestimme den Beginn der Verjährung für sämtliche, durch eine unrichtige Steuerauskunft verursachte Schäden. Der BGH hat wiederholt entschieden, dass die Anknüpfung der Verjährung an einen Steuerbescheid für andere Vermögensschäden als den eigentlichen Steuerschaden nicht stets in Betracht kommt.
Es besteht jedenfalls kein sachlicher Grund, den Beginn der Verjährung trotz bereits verschlechterter Vermögenslage auf die Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids hinauszuschieben, wenn der Mandant von einer steuerlichen Pflichtverletzung schon durch seinen neuen Steuerberater erfahren hat und Maßnahmen mit Kostenfolge ergreift, die ihm zur Beseitigung der Folgen der vorausgegangenen Pflichtverletzung angeraten worden sind. So verhält es sich im Streitfall. Die Klägerin ist nicht erst durch die spätere Neufestsetzung der Gewerbesteuer auf den Beratungsfehler aufmerksam geworden, sondern bereits durch ihren neuen Steuerberater. Sie hat in der Folge Kosten aufgewendet, um die ihr zunächst angeratene Gestaltung rückgängig zu machen. Dadurch hat sich ihr Feststellungs- und Beurteilungsrisiko hinsichtlich dieser Kosten zu einem Schaden verdichtet.
Ob die Steuerbehörde den bis zur Rückgängigmachung der Gestaltung vorliegenden Steuersachverhalt aufgreifen würde, ist unerheblich. Die Rückgängigmachung war aufgrund der pflichtwidrigen Gestaltungsberatung sinnvoll. Die Klägerin musste die dadurch verursachte und mit Blick auf das Risiko einer späteren Besteuerung bestehende Vermögensgefährdung für weitere Erhebungszeiträume nicht fortbestehen lassen. Für die hier in Rede stehenden Schäden wurde die Verjährungsfrist des § 68 StBerG a.F. daher spätestens am 17.7.2003 in Lauf gesetzt, als die erste Rechnung für die zur Rückgängigmachung der fehlerhaft angeratenen Gestaltung erforderliche Beratung an den neuen Steuerberater bezahlt worden war. Abgelaufen war diese Frist demnach am 17.7.2006 (§ 68 StBerG a.F., Art. 229 § 12 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 EGBGB, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB). Die Klageerhebung am 27.9.2006 ist nicht mehr rechtzeitig erfolgt.
Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit erfasst die eingetretene Verjährung auch den erst später entstandenen Steuerschaden. Der aus einem bestimmten Verhalten erwachsende Schaden ist in der Regel als ein Ganzes aufzufassen. Es gilt daher eine einheitliche Verjährungsfrist, wenn schon beim Auftreten des ersten Schadens bei verständiger Würdigung mit weiteren wirtschaftlichen Nachteilen gerechnet werden kann. Für einen Steuerschaden gelten keine Besonderheiten. Er muss nicht durch Zugang eines belastenden Steuerbescheids entstanden, sondern nur - so wie hier - bei verständiger Würdigung voraussehbar sein. Vorliegend musste die Klägerin, nachdem sie von ihrem neuen Steuerberater auf die Unzulänglichkeit der gewählten gewerbesteuerlichen Gestaltung hingewiesen worden war, bei verständiger Würdigung mit Steuernachteilen rechnen, sei es durch eine Änderung der bisherigen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheide.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.