Zum eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers hinsichtlich der Übernahme von Fortbildungskosten für angestellte Berufskraftfahrer
FG Münster 9.8.2016, 13 K 3218/13 LDer Kläger betreibt ein Unternehmen, das Spezial- und Schwertransporte für die Industrie- und Bauwirtschaft durchführt. Für seine Fahrer gilt seit 2006 das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) und die dazugehörige Verordnung zur Durchführung des Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetzes (BKrFQV). Demnach müssen sich die Fahrer im Abstand von jeweils fünf Jahren weiterbilden. Die Dauer der Weiterbildung beträgt nach § 4 Abs. 2 BKrFQV 35 Stunden zu je 60 Minuten, die in selbständigen Ausbildungseinheiten von jeweils mindestens sieben Stunden zu erteilen sind.
Das Unternehmen des Klägers fällt in den Geltungsbereich des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW. In § 4 des Tarifvertrags vom 31.1.2011 wird ausgeführt: "Bei Fahrern mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 3 Jahren übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für die Umschreibung bzw. Verlängerung der Fahrerlaubnis und der der Fahrerkarte. Diese Fahrer haben Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Arbeitszeit für je einen Tag im Jahr zur Weiterbildung nach dem BKrFQG und der dazugehörigen BKrFQV. Der Arbeitgeber trägt auf Antrag des Arbeitnehmers die Kosten der Weiterbildung, wenn er die Ausbildungsstätte bestimmen kann."
In den Streitjahren 2011 und 2012 hatten einige Arbeitnehmer des Klägers an den entsprechenden Weiterbildungen nach dem BKrFQG teilgenommen. Das Finanzamt war der Ansicht, bei den Aufwendungen nach dem BKrFQG handele es sich um Werbungskostenersatz, die der Arbeitgeber für die Arbeitnehmer gezahlt habe. Die Beträge würden steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, da es sich nicht um steuerfreien Werbungskostenersatz gem. R 19.3 der LStR handele und auch eine Voraussetzung i.S.d. § 3 EStG nicht gegeben sei. Dass es sich dabei um eine gesetzlich notwendige Ausbildung nach § 4 des Tarifvertrags handele, sei steuerrechtlich irrelevant.
Das FG gab der gegen den Haftungsbescheid gerichteten Klage statt.
Die Gründe:
Im Streitfall lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 38 Abs. 1 S. 1 u. 3, Abs. 3 S. 1 EStG, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht vor, denn - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - handelte es sich bei den von dem Kläger für die Weiterbildung der Arbeitnehmer gezahlten Aufwendungen nicht um Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse wird bejaht, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden.
Infolgedessen bestand im vorliegenden Fall ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Klägers an der Teilnahme seiner Fahrer an den Weiterbildungen. Denn mit der Entsendung zu den Weiterbildungen konnte der Kläger sicherstellen, dass seine Fahrer ihr Wissen über das verkehrsgerechte Verhalten in Gefahren- und Unfallsituationen, ihre Kenntnisse über das sichere Beladen der Fahrzeuge und unter anderem über das wirtschaftliche - kraftstoffsparende - Fahren "auffrischen" und damit ihre Fahrfertigkeiten optimieren. Für das überwiegende eigenbetriebliche Interesse sprach auch der Umstand, dass der Kläger sich den Kosten für die Weiterbildungen nicht entziehen konnte, da die Fahrer, die an den Weiterbildungen teilgenommen haben, alle mehr als drei Jahre in dem Betrieb des Klägers zugehörig waren und damit der Kläger nach § 4 des Tarifvertrags verpflichtet war, die Kosten der Weiterbildungen zu übernehmen.
Entgegen der Ansicht des Finanzamtes wurde das Interesse des Klägers auch nicht durch das eigene Interesse der Fahrer an den Weiterbildungen, die sie zur Verlängerung ihrer Fahrerlaubnis und damit zur weiteren Ausübung ihres Berufs benötigen, überlagert. Denn der durch die Weiterbildungen entstandene Vorteil der Arbeitnehmer stellte lediglich eine notwendige Begleiterscheinung ("eine Reflexwirkung") der bereits beschriebenen von dem Kläger mit den Weiterbildungen bezweckten betriebsfunktionalen Zielsetzungen dar.
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