12.06.2017

Zum Gestaltungsmissbrauch beim An- und Verkauf von Wertpapieren

Veräußert und erwirbt der Steuerpflichtige an einer Börse mit taggleicher Ausführung Bezugsrechte und kann er aufgrund der Umstände, seiner persönlichen Kenntnisse und seines Einflusses auf die Durchführung des Handels als Börsenmakler davon ausgehen, dieselbe Zahl von Bezugsrechten zum Verkaufspreis sicher wieder erwerben zu können, ohne die Kauforder eines Dritten fürchten zu müssen, kann in der Durchführung des Geschäfts ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegen.

BFH 8.3.2017, IX R 5/16
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Einkünfte aus dem Verkauf von Aktien. Der Kläger war im Streitjahr 1999 als Börsenmakler tätig. Am 4.11.1998 platzierte er zusammen mit zwei Mitgesellschaftern nach Börsenschluss einen Verkaufsauftrag hinsichtlich seiner Bezugsrechte. Vor Börseneröffnung am 5.11.1998 platzierte er einen entsprechenden Kaufauftrag. Damit gestaltete er sein Vorgehen so, dass der am Vorabend platzierte Verkaufsauftrag durch einen vor Börsenbeginn übermittelten Kaufauftrag neutralisiert wurde.

Da dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern als Börsenmakler die Gebräuche des Börsenhandels und der dortigen Handelssysteme bekannt waren und der Steuerpflichtige selbst für die Durchführung des Bezugsrechtehandels und die Preisfestsetzung zuständig war, konnte er durch sein Vorgehen darauf hinwirken, dass am 5.11.1998 die von ihm platzierten Bezugsrechte zu dem von ihm und seinen Mitgesellschaftern über ihre Kauf- und Verkaufsaufträge festgelegten Kurs ausgeführt wurden. So wirkte er darauf hin, dass lediglich formal ein Inhaberwechsel hinsichtlich der Bezugsrechte stattgefunden hatte.

Die platzierten Bezugsrechte wurden dann vom Steuerpflichtigen und seinen Mitgesellschaftern aufgrund eines gemeinsamen Vorgehens zurückerworben. Hinzu kommt, dass der Steuerpflichtige als Börsenmakler tätig und mit den Gepflogenheiten der örtlichen Börse bestens vertraut war. So konnte er sicherstellen, dass Verkaufs- und Kaufaufträge hinsichtlich der streitigen Bezugsrechte von ihm und seinen Mitgesellschaftern in gegenseitiger Deckung zur Ausführung kamen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat in dem taggleichen An- und Verkauf der Bezugsrechte im Jahr 1998 richtigerweise einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 AO gesehen. Das FG hat den streitigen Veräußerungsgewinn zu Recht im Rahmen der Einkünfte aus § 17 EStG im Veranlagungszeitraum 1999 erfasst und nicht den Einkünften aus § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zugeordnet.

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 AO ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung jedoch noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.

Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn durch mehrere Geschäfte, die sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisieren, lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn die Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist. In dem taggleichen An- und Verkauf von Bezugsrechten im Jahr 1998 kann insoweit einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. §42 AO liegen.

Gestaltungsmissbrauch liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige aufgrund spezieller Kenntnis der Abläufe in den Handelssystemen von Wertpapierbörsen und -handelshäusern und der konkreten Marktsituation, davon ausgehen kann, die von ihm zum Verkauf platzierten börsennotierten Wertpapiere zeit- und wertgleich und damit ohne Kursrisiko wieder zurückerwerben zu können. Denn ein steuerrechtlich erheblicher Vorgang kann dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Willen des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll.

Letztlich fehlte hier auch ein plausibler außersteuerlicher Grund für die gewählte Gestaltung. Vielmehr hatte der Steuerpflichtige sich allein von steuerlichen Motiven leiten lassen, nämlich der Veröffentlichung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, das hinsichtlich der Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG eine erhebliche Verschlechterung (Abschaffung des halben Steuersatzes, Einführung der Fünftelungsregelung) mit sich brachte.

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