Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes
Schleswig-Holsteinisches FG 25.9.2013, 2 V 102/13Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Rechtmäßigkeit eines festgesetzten Verzögerungsgeldes. Mit Prüfungsanordnung von Juni 2012 ordnete das Finanzamt bei dem Antragsteller, der gewerbliche Einkünfte aus einem Hotel und Restaurant erzielte, eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 u.a. zur Einkommensteuer, zur Umsatzsteuer und zur Gewerbesteuer an. In der Anlage wurde der Antragsteller um Vorlage verschiedener Unterlagen zu Beginn der Außenprüfung gebeten.
Prüfungsbeginn war der 12.11.2012 an Amtsstelle. Zu Beginn der Prüfung wurden drei Umzugskartons mit Ordnern und Unterlagen übergeben. Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung am 18.12.2012 wurden für den weiteren Verlauf der Prüfung weitere Unterlagen angefordert. Mit einer E-Mail vom 24.1.2013 bat der Prüfer den Steuerberater um Aufklärung auffälliger Stornovorgänge und erinnerte an die Übersendung der bereits angeforderten Unterlagen bis zum 8.2.2013. Der Steuerberater teilte mit Schreiben vom 25.1.2013 mit, die gesetzte Frist lasse sich nicht einhalten, weil zunächst noch die restlichen Steuerfälle des Veranlagungsjahres 2011 abgearbeitet werden müssten. Daraufhin verlängerte der Prüfer die Frist für die Vorlage der Unterlagen bis zum 20.2.2013. Das Schreiben wurde mit dem Hinweis versehen: "Die Frist gilt auch als Frist zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b AO."
Mit Schreiben vom 11.2.2013 teilte der Steuerberater des Antragstellers mit, dass die sofortige Ankündigung eines Verzögerungsgeldes verwundern müsse. Dies insbes. vor dem Hintergrund, dass der Prüfer durch seinen Mandanten bislang jederzeit die sofortige und volle Kooperation sowie persönliche Unterstützung erhalten habe, die weit über das übliche Maß hinausgegangen sei. Selbstverständlich seien der Steuerpflichtige und auch sie bemüht die gesetzte Frist einzuhalten. Es sei jedoch nochmals angemerkt, dass es sich bei den angeforderten Unterlagen und Auskünften um keine schnell zu erledigenden Aufgaben handele. Am 26.2.2013 setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500 € fest. Am 5.3.2013 gingen die angeforderten Unterlagen beim Finanzamt ein.
Das FG gab dem gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt. Die Beschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes insbes. in Anbetracht der gesetzlich vorgegebenen Mindesthöhe von 2.500 € eine an der Sanktionsuntergrenze auszurichtende Würdigung vorzunehmen, die sich insbes. an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat.
Vorliegend hat das Finanzamt im Hinblick auf den Zweck des Verzögerungsgeldes, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten, völlig unberücksichtigt gelassen, ob es Hinweise auf fehlende Mitwirkung oder bewusst bzw. verschuldetes zögerliches Handeln des Antragstellers bzw. seines Prozessbevollmächtigten und dessen Mitarbeiter überhaupt gab. Vielmehr sind die Ausführungen zum Teil formelhaft und auch in sich nicht schlüssig.
Wie die Aussage des Finanzamtes zu verstehen ist, in Anbetracht der steuerlichen Auswirkung der Unterlagen sei eine Festsetzung des Verzögerungsgeldes angemessen gewesen, ist nicht nachvollziehbar. Dass es bei Nichteinhalten von Fristen zu Verzögerungen kommt und jede Außenprüfung möglichst zeitnah durchzuführen ist, erklärt sich von selbst. Das Finanzamt hätte erläutern müssen, warum es gerade in diesem Fall durch die kurze Fristüberschreitung zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung gekommen ist.
Nach den vorliegenden Unterlagen ist zudem das Bemühen erkennbar, die angeforderten Unterlagen zeitnah zu beschaffen. Es wurde im Schreiben vom 11.2.2013 ausdrücklich betont, dass man sich bemühe, die Frist einzuhalten, dies aber ggf. nicht gelingen würde. Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass dem Betriebsprüfer bei der Auswertung der Kassenunterlagen besondere Unterstützung zuteil wurde. Auf diese Umstände ist das Finanzamt jedoch gar nicht eingegangen, es hat vielmehr aus diesem Schreiben gefolgert, die gesetzte Frist sei akzeptiert worden und hat diese - zweifelhafte - Einschätzung demzufolge auch seiner Würdigung zugrunde gelegt.
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