Zum Gutglaubensschutz gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben
FG Hamburg 3.5.2011, 4 K 63/11Der Kläger, ein auf Medizinrecht spezialisierter, im Zollrecht aber unerfahrener Rechtsanwalt, hatte über das Internet in den USA einen Blu-ray-Player zum Preis von umgerechnet rund 500 € bestellt. Bei Abholung des Gerätes beim Zollamt meldete er die Einfuhr ordnungsgemäß an. Der diensthabende Zollbeamte besprach sich mit einem Kollegen, gab die Daten in das EDV-System ein und setzte gegenüber dem Kläger in einem mehrseitigen Einfuhrabgabenbescheid Abgaben i.H.v. 88 € fest. Der Kläger zahlte diesen Betrag und verließ das Zollamt mit seinem Blu-ray-Player.
Erst jetzt bemerkten die Zollbeamten, dass ihnen bei der Eingabe der Daten in das EDV-System ein Fehler unterlaufen war und dass sie gegenüber dem Kläger zu geringe Einfuhrabgaben berechnet hatten. Das Zollamt erhob deshalb vom Kläger Einfuhrabgaben i.H.v. weiteren 77 € nach und führte im Einspruchsverfahren aus, der Kläger hätte durch schlichtes Nachlesen der einschlägigen Gesetzesvorschriften diesen Fehler bei der Berechnung der Einfuhrabgaben bemerken können; auf Vertrauensschutz könne er sich deshalb nicht berufen.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Es bestehen zwar keine Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für einen Nacherhebungsbescheid gem. Art. 220 Abs. 1 ZK (Zollkodex) bestehen, weil in dem ersten Abgabenbescheid die Festsetzung von Zoll und insoweit auch von Einfuhrumsatzsteuer unterblieben war. Die Nacherhebung ist gleichwohl rechtswidrig, weil hier zugunsten des Klägers die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 220 Abs. 2 Buchst b) ZK wirkt. Im Streitfall haben die zuständigen Zollbehörden - wie auch vom Beklagten eingeräumt - einen Irrtum im Sinne der Vorschrift begangen.
Der Kläger hätte indes den Irrtum des Hauptzollamts nicht vernünftigerweise erkennen können und war gutgläubig. Er hat sich persönlich an die Zollbehörden gewendet, offenbar im Vertrauen darauf, dass die erforderliche Sachkunde dort vorhanden ist. In einer solchen Situation von einem Bürger mehr zu erwarten, wäre insbes. unter Berücksichtigung des konkreten Warenwerts von weniger als 500 € einerseits und der Komplexität des Zollrechts andererseits unverhältnismäßig.
Es ist lebensfremd und vom Kläger nicht zu verlangen, sich während der nur etwa 15 Minuten dauernden Zollabfertigung über die zutreffende Höhe der Einfuhrabgaben zu informieren. Abgesehen davon, dass die zollrechtlichen Bestimmungen dem Kläger im Zeitpunkt der Zollabfertigung nicht zur Verfügung standen, kann vom Bürger in diesem Fall nicht erwartet werden, dass er sich in den zollrechtlichen Bestimmungen, die unübersichtlich und schwer verständlich und ständigen Änderungen unterworfen sind, besser auskennt als der Zoll.
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