29.08.2012

Zum Haftungsbescheid gegen den Erwerber eines Grundstücks hinsichtlich einer Grundsteuerforderung gegen den Veräußerer

Ein Haftungsbescheid hinsichtlich einer Grundsteuerforderung kann gegen den Erwerber des Grundstücks auch dann ergehen, wenn die Behörde nicht alle in Betracht kommenden Vollstreckungsmöglichkeiten gegenüber dem Steuerschuldner ausgeschöpft hat. Die aus der Regelung des § 11 Abs. 2 GrStG abzuleitende Privilegierung des Staates als Steuergläubiger liefe leer, wenn zunächst alle denkbaren Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner ergriffen werden müssten.

VG Gießen 14.6.2012, 8 K 2454/10.GI
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Dezember 2006 Flurstücke im Stadtgebiet der Beklagten gekauft. Verkäuferin und Voreigentümerin war eine Gesellschaft nach luxemburgischen Recht. Die Lasten des Grundstücks sollten laut Kaufvertrag bereits bei Besitzübergabe auf die Käuferin übergehen. Im März 2008 erfolgte die Eintragung der Klägerin im Grundbuch. Die Beklagte nahm die Verkäuferin als Grundsteuerschuldnerin für die Jahre 2006 und 2007 mit Grundbesitzabgabenbescheid in Anspruch, eine Zahlung blieb allerdings aus. Später teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie, die Beklagte, habe mittlerweile Kenntnis darüber, dass die Verkäuferin Insolvenz angemeldet habe.

Nach erfolglosem Amtshilfeersuchen im Oktober 2009 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und setzte sie über die Steuerrückstände und die erfolglosen Beitreibungsversuche gegenüber der Steuerschuldnerin in Kenntnis. Im April 2010 erhielt die Klägerin einen Haftungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 AO für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.H.v. 24.119 € für das Jahr 2007. Ferner wurde die Klägerin aufgefordert, als Erwerberin des Grundstücks und somit als Haftungsschuldnerin gem. § 11 Abs. 2 GrStG den Haftungsbetrag i.H.v. 24.119 € zu zahlen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Erwerber eines übereigneten Grundstücks hafte neben dem früheren Eigentümer für die auf das Grundstück entfallene Grundsteuer, die für die Zeit seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres zu entrichten sei.

Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte habe keine ausreichenden Bemühungen angestellt, die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Verkäuferin zu realisieren, insbesondere habe es die Beklagte mangels Kenntnis unterlassen, nach der Liquidierung der Verkäuferin, deren Rechtsnachfolgerin in Anspruch zu nehmen. Das VG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Beklagte konnte die Klägerin in rechtmäßiger Weise durch Haftungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 AO in Anspruch nehmen.

Danach kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Haftungsbegründend wirkte die bürgerlich-rechtliche Übereignung des Grundstücks an die Klägerin durch Eintragung in das Grundbuch. Allein dies war hier maßgeblich.

Die Haftung war auch nicht durch § 11 Abs. 2 S. 2 GrStG ausgeschlossen. Es handelte sich nämlich nicht um einen Erwerb aus einer Insolvenzmasse oder im Vollstreckungsverfahren. Ebenso wenig war die Haftung der Klägerin durch die Regelung des § 219 AO ausgeschlossen. Danach darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Hier hatte die Beklagte jedoch bereits erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Steuerschuldner ergriffen, insbesondere durch Einleitung eines Vollstreckungshilfeersuchens in Luxemburg.

Das Ergebnis dieser erfolglosen Vollstreckung rechtfertigte die Annahme, dass weitere Vollstreckungsbemühungen aussichtslos erschienen. An die Zulässigkeit einer solchen Annahme i.S.v. § 219 AO, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde, sind ausgehend von der ratio legis des § 11 Abs. 2 GrStG und der gesetzessystematischen Zweiteilung in Steuer- und Haftungsschuldner keine unangemessen hohen Anforderungen zu stellen. Zu beachten ist nämlich insoweit, dass der Erwerber kein Ersatzschuldner zum früheren Eigentümer, dem Steuerschuldner, ist, sondern von Gesetzes wegen neben diesem steht. Schließlich liefe die aus der Regelung des § 11 Abs. 2 GrStG abzuleitende Privilegierung des Staates als Steuergläubiger leer, wenn zunächst alle denkbaren Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner ergriffen werden müssten.

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