09.04.2014

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Treppenlift

Die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Treppenlift muss nicht durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen werden. Angesichts des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1a bis f EStDV ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen in solchen Fällen nicht formalisiert nachzuweisen.

BFH 6.2.2014, VI R 61/12
Der Sachverhalt:
Die verheirateten Kläger hatten im Streitjahr 2005 wegen der Gehbehinderung des Klägers einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen lassen. Die hierfür entstandenen Aufwendungen von ca. 18.000 € machten sie daraufhin in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Finanzamt ein ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes bei. Doch leider vergeblich, denn die Steuerbehörde war der Ansicht, die Kläger hätten zuvor ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einholen müssen.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (Senatsurteil v. 5.10.2011, Az.: VI R 14/11). Das FG habe den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. Eine abschließende Entscheidung sei jedoch nicht möglich gewesen, da das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen habe, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin medizinisch angezeigt gewesen sei.

Auch im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab, da die Rechtslage sich geändert habe. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) sei die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen sei, (wieder) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen. Dies gelte insbesondere für medizinische Hilfsmittel i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011. Hierzu sei auch ein Treppenlift zu zählen.

Auf die erneute Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil wiederum auf und wies die Sache nochmals an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden war.

In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1a bis f EStDV durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Betroffen hiervon sind etwa Bade- und Heilkuren oder psychotherapeutische Behandlungen.

Entgegen der Auffassung des FG ist § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 jedoch nicht dahin auszulegen, dass bei medizinischen Hilfsmitteln, die sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gem. § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, stets ein amtsärztliches Attest vor der Anschaffung des Hilfsmittels notwendig ist. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Gesetzgeber bei einer Ausnahmeregelung - wie hier vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung - einer Legaldefinition (§ 33 Abs. 1 SGB V) bedient. Angesichts des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1a bis f EStDV ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenliftes somit nicht formalisiert nachzuweisen.

Im weiteren Verfahren muss das FG nun die erforderlichen Feststellungen zur medizinischen Notwendigkeit für die Maßnahme nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung treffen, etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

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BFH PM Nr. 27 vom 9.4.2014
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