19.09.2019

Zum Umfang eines Einspruchs bei gleichzeitig mit der Steuerfestsetzung erfolgten Zinsfestsetzung

Einsprüche, in denen nur die Steuerbescheide genannt und inhaltlich angegriffen werden, richten sich nur gegen die Steuer-, nicht aber gegen die damit verbundenen Zinsfestsetzungen.

Niedersächsisches FG v. 8.5.2019 - 4 K 50/19
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der von der Klägerin eingelegte Einspruch auch die Festsetzung der Zinsen zur Umsatzsteuer umfasst. Im Anschluss an eine Außenprüfung im Betrieb der Klägerin änderte das Finanzamt im April 2017 u.a. die Festsetzungen für das Jahr 2007 über die Umsatzsteuer und die Zinsen zur Umsatzsteuer. Die Überschrift des Bescheides lautete "Bescheid für 2007 über Umsatzsteuer". Neben der Umsatzsteuer i.H.v. knapp 115.000 € wurden Zinsen nach § 233a AO zur Umsatzsteuer i.H.v. etwa 26.000 € festgesetzt. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es: "Die Festsetzung der Umsatzsteuer und der Zinsen kann mit dem Einspruch angefochten werden".

Mit Schreiben ihrer steuerlichen Berater wandte sich die Klägerin im Mai 2017 an das Finanzamt. Der Betreff des Schreibens lautete: "Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2007 bis 2010, Einsprüche gegen die Bescheide über Umsatzsteuer 2007 bis 2010, Einsprüche gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2007 bis 2010". Weiter hieß es: "hiermit legen wir namens und in Auftrag unserer Mandantin Einspruch gegen die oben genannten Bescheide ein". Im Weiteren wurden einzelne Punkte (Kfz-Kosten, Zahlungen für Beratungstätigkeiten, Umfinanzierung von Immobiliendarlehen, Maklertätigkeit, Zahlungsweise der zu zahlenden Provisionen) thematisiert.

Im Juli 2018 änderte das Finanzamt die Festsetzung der Umsatzsteuer 2007 "nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO" und setzte die Zinsen zur Umsatzsteuer von knapp 26.000 € auf etwa 20.000 € herab. Im August 2018 legte die Klägerin gegen den "Zins-Bescheid zur Umsatzsteuer 2007 vom 31.07.18" Einspruch ein und beantragte die Herabsetzung der Zinsen auf 0 €. Sie begründete dies mit den gegen die Höhe der Zinsen anhängigen Verfahren beim BFH (IX R 42/17) und beim BVerfG (1 BvR 2237/14) sowie mit dem Schreiben des BMF vom 14.6.2018. Im August 2018 wies das Finanzamt die Klägerin darauf hin, dass die Zinsfestsetzung von April 2017 "rechtskräftig und damit unanfechtbar" geworden sei. Mit dem Einspruch von Mai 2017 sei nur die Umsatzsteuerfestsetzung, nicht jedoch die Zinsfestsetzung angefochten worden. Da die Zinsen durch Bescheid von Juli 2018 herabgesetzt worden seien, komme eine weitere Herabsetzung aufgrund des neuerlichen Einspruchs nicht in Betracht. Durch Einspruchsbescheid von Januar 2019 wies das Finanzamt den Einspruch gegen die Zinsfestsetzung als unbegründet ab.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die beim BFH anhängige Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird dort unter dem Az. V B 47/19 geführt.

Die Gründe:
Es fehlt vorliegend an einem zulässigen Einspruch gegen die Zinsfestsetzung von April 2017, sodass diese bestandskräftig geworden ist.

Nach § 355 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Hier datiert der angefochtene Bescheid vom 28.4.2017 und wurde auch an diesem Tag zur Post gegeben. Er gilt damit (wegen des Maifeiertags) als am 2.5.2017 bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist endete daher mit Ablauf des 1.6.2017. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger nur gegen die Umsatzsteuerfestsetzung, nicht jedoch gegen die damit verbundenen Zinsfestsetzungen Einspruch eingelegt. Der Bescheid vom 28.4.2017 stellt einen sog. Sammelbescheid dar, der unterschiedliche Festsetzungen - hier die Festsetzung der Umsatzsteuer und die Festsetzung der Zinsen - äußerlich miteinander verbindet. Ungeachtet ihrer äußeren Verbindung bleiben diese unterschiedlichen Festsetzungen selbständige Verwaltungsakte, die grundsätzlich unabhängig voneinander angefochten werden können und müssen.

Dass die bloße Bezeichnung der Bezeichnung des Sammelbescheides nicht ausreicht, hat der BFH mit Urteil vom 19.8.2013 (X R 44/11) entschieden. Danach soll ein Einspruch als lediglich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet anzusehen sein, auch wenn im Rubrum eines Einspruchsschreibens ein "Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag" genannt ist, die Einspruchsbegründung aber ausschließlich auf Rechtsfragen in Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag eingeht und das Ruhen des Rechtsbehelfsverfahrens wegen eines Musterprozesses zum Solidaritätszuschlag beantragt wird. Gleiches hat er am 23.6.2017 (X B 34/17) zu den Nachzahlungszinsen beschlossen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen richten sich die am 23.5.2017 u.a. gegen die "Bescheide über Umsatzsteuer 2007 bis 2010" eingelegten Einsprüche nur gegen die Steuer-, nicht aber gegen die damit verbundenen Zinsfestsetzungen. Denn die Klägerin hat darin nur Einwendungen gegen die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer erhoben, nicht aber gegen die damit verbundene Zinsfestsetzung. Insbesondere hat sie sich nicht gegen die Höhe des in § 238 AO festgelegten Zinssatzes gewandt. Dazu bestand im Zeitpunkt der Einlegung der Einsprüche auch kein unmittelbarer Anlass, weil der BFH zu diesem Zeitpunkt in ständiger Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes bejaht hatte.

Erst nachdem durch die Pressemitteilung Nr. 23 vom 14.5.2018 der Beschluss des BFH vom 25.4.2018 (IX B 21/18) bekannt geworden war, durch den die Vollziehung eines Zinsbescheids wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 238 AO ausgesetzt worden war, und das BMF mit Schreiben vom 14.6.2018 als Reaktion die Aussetzung von Zinsfestsetzungen für Zeiträume ab dem 1.4.2015 (nur) auf Antrag des Zinsschuldners angeordnet hatte, hat die Klägerin am 7.8.2018 Einwendungen gegen die Zinsfestsetzungen als solche erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Einspruchsfrist für die Zinsbescheide aber bereits abgelaufen.

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