02.01.2014

Zum Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen hinsichtlich der Kosten für die operative Entfernung überstehenden Fettgewebes

Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems können als medizinisch indizierte Krankheitskosten zwangsläufig i.S.v. § 33 EStG sein. Der Zwangsläufigkeit steht im konkreten Einzelfall nicht entgegen, dass die gesetzlich krankenversicherte Steuerpflichtige es vor der Durchführung der Operation nicht versucht hat, eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung durch die Versicherung zu erreichen.

Schleswig-Holsteinisches FG 14.8.2013, 5 K 238/12
Der Sachverhalt:
Die 1968 geborene, 168 cm große und 63 kg schwere Klägerin klagte seit Jahren über Schwellung und Schmerzen der unteren Extremitäten, die mit der Zeit an Stärke zunahmen. Es wurde ein Lip-/Lymphödem beider Beine diagnostiziert. Ein Venenleiden bestehe nicht, so der behandelnde Arzt, letztlich dürfte eine Liposuktion in Frage kommen. Es komme darauf an, eine frühzeitige Behandlung einzuleiten, um Folgeschäden zu vermeiden. Eine alleinige Therapie mit Lymphdrainagen und Kompression habe nicht zum Erfolg geführt, so dass auch an operative Maßnahmen gedacht werden solle. Ergänzend führte der Arzt aus, dass bei aktiver sportlicher Betätigung Schmerzen in den Fettpolstern angegeben worden seien, ohne dass bei der Klägerin eine Übergewichtigkeit vorgelegen habe. Er habe eine Lipohyperplasie vom Typ 1b festgestellt.

Hierbei handelte es sich um eine Fettanlagestörung, die symmetrisch auftrete und bei Frauen meist nach hormonellen Umstellungen beginne und durch einen chronischen Verlauf gekennzeichnet sei. Die Störung sei grundsätzlich nicht diätetisch behandelbar. Die krankhaft vermehrten Fettzellen blieben erhalten und würden durch Quetschung der Lymphbahnen, der Blutgefäße und Nerven zur Entwicklung von Beschwerden führen. Im Oktober 2011 wurde die Operation durchgeführt. Den dafür anfallenden Betrag i.H.v. 5.500 € entrichtete die Klägerin in bar. Die Kosten der Behandlung wurden, auch nicht teilweise, von dritter Seite ersetzt. Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Operation, die Reisekosten zu dem Operateur sowie die Medikamentenkosten sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Von einer nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Krankheit ist auszugehen, wenn es sich nicht um einen allenfalls als missbeliebigen anzusehenden Zustand handelt, sondern um einen anormalen Zustand, der Störungen oder Behinderungen in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen von solchem Gewicht zur Folge hat, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Liegt eine Krankheit in diesem Sinne vor, entscheidet allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für die Linderung seiner Krankheit tragen will. Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur solche Aufwendungen, die medizinisch indiziert sind, also diejenigen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren, deren Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt ist.

Die Liposuktion diente ausschließlich der Therapie der Beschwerden, die durch die bei der Klägerin vorliegenden Lipohyperplasie vom Typ 1b verursacht waren, und war medizinisch notwendig. Insbes. schieden für die Vornahme des Eingriffs kosmetische Motive der Klägerin aus. Es stand der Zwangsläufigkeit auch nicht entgegen, dass die gesetzlich krankenversicherte Klägerin vor der Durchführung der Operation nicht versucht hat, eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung durch die Versicherung zu erreichen. Die Klägerin hatte keine Veranlassung, über eine Kostenerstattung oder Kostenübernahme durch Dritte nachzudenken. Der Klägerin wurde zu einer Liposuktion geraten, obgleich diese Behandlungsmöglichkeit nicht im GKV-System vorgesehen ist.

Tatsächlich handelt es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode, für die bis dato keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bzgl. des diagnostischen und therapeutischen Nutzens vorliegt. Für neuartige Behandlungsverfahren gilt im Bereich der ambulanten Versorgung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, §§ 135 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V. Dies bedeutet, dass die Klägerin gegen die gesetzliche Krankenversicherung keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für die ambulant durchgeführte Liposuktion hatte. Die Klägerin auf den Weg zu verweisen, vor einer steuerlichen Geltendmachung der Kosten eine Kostenübernahme in einem ggf. mehrere Jahre andauernden Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstreiten, erscheint nicht zumutbar.

Linkhinweis:

Schleswig-Holsteinisches FG NL vom 20.12.2013
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