13.07.2023

Zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil Finanzamt R vom 8.9.2022 - C-98/21)

Einer Holdinggesellschaft ist der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zu versagen, die

  • nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit von der Holding erbrachten steuerpflichtigen Dienstleistungen, sondern mit von ihr als Gesellschafterbeitrag geschuldeten unentgeltlichen Dienstleistungen stehen,
  • nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den Umsätzen Dritter (der Tochtergesellschaften) stehen,
  • in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und
  • nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören.

Kurzbesprechung
BFH v. 15.2.2023 - XI R 24/22 (XI R 22/18)

UStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1
EGRL 112/2006 Art. 168 Buchst. a


Der EuGH hat mit Urteil Finanzamt R vom 8.9.2022 - C-98/21 (EU:C:2022:645) entschieden, dass Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit deren Art. 167 dahin auszulegen ist, dass einer Holdinggesellschaft, die steuerpflichtige Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, das Recht auf Vorsteuerabzug für Leistungen, die sie von Dritten bezieht und gegen die Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, nicht zusteht, wenn erstens die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, zweitens diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und drittens diese Leistungen nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehören.

Im entschiedenen Streitfall wies der BFH die Klage ab, da die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht vorlagen.

Die Steuerpflichtige ist zwar unternehmerisch tätig, obwohl eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie ‑ unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärin oder Gesellschafterin ‑ unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, keine Mehrwertsteuerpflichtige i.S. von Art. 9 MwStSystRL und somit nicht zum Vorsteuerabzug nach Art. 167 ff. MwStSystRL berechtigt ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn - wie im Streitfall - die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist.

Ein Vorsteuerabzug setzt u.a. voraus, dass die Eingangsleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht werden. Ausgehend davon war im Streitfall der Vorsteuerabzug für die in Rede stehenden Eingangsleistungen zu versagen. Denn die unentgeltlichen Dienstleistungen, die die Steuerpflichtige als Gesellschafterbeitrag zu leisten hatte, waren ausdrücklich von den vereinbarten Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen, die die unternehmerische Tätigkeit der Steuerpflichtigen darstellten, ausgenommen. Außerdem standen die streitigen Eingangsleistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen Dritter (im Streitfall: der Tochtergesellschaften). Sie fanden keinen Niederschlag im konkreten Preis für die erbrachten entgeltlichen Geschäftsführungs- und Buchführungsleistungen der Steuerpflichtigen und gehörten auch nicht anteilig zu den allgemeinen Kostenelementen der Steuerpflichtigen für ihre unternehmerische Tätigkeit.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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