Zum Zufluss von Kapitaleinnahmen aus Schneeballsystemen
BFH 11.2.2014, VIII R 25/12Der Kläger hatte hochverzinsliche Kapitalanlagen bei einem Betreiber eines Schneeballsystems abgeschlossen. Er erhielt daraus Gutschriften über Zinserträge, die er sich teilweise auszahlen ließ und teilweise wieder anlegte. Das Anlagekapital war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr vorhanden, sodass der Betreiber des Schneeballsystems den Kläger und die übrigen Anleger telefonisch jeweils aufforderte, den fälligen Zinsbetrag erneut anzulegen. Kamen die Anleger dieser Aufforderung nicht nach, erfüllte er die Auszahlungswünsche.
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger erstmalige Steuerbescheide für die Streitjahre 1994 und 1995. In den Einkommensteuerbescheiden berücksichtigte die Behörde Einnahmen aus Kapitalvermögen für das Streitjahr 1994 i.H.v. 50.314 DM (darunter die ausgezahlten und die wiederangelegten Erträge aus der Anlage) und für das Streitjahr 1995 i.H.v. 50.451 DM (darunter ebenfalls die ausgezahlten und wiederangelegten Erträge aus der Anlage).
Hiergegen wandte sich der Kläger. Er war der Ansicht, die ihm gegenüber ausgewiesenen Kapitalrückzahlungsansprüche seien zum Zeitpunkt der Wiederanlage in den Streitjahren nicht mehr realisierbar gewesen und dürften nicht in Höhe des Nennwerts der wiederangelegten Beträge zu Zinseinkünften führen. Das FG gab der Klage teilwiese statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre waren rechtmäßig, soweit das Finanzamt auch die wiederangelegten Beträge als Zinseinkünfte des Klägers gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1990 in den Streitjahren berücksichtigt hatte.
Ein Anleger erzielt steuerbare Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht nur, wenn Zinsen tatsächlich ausgezahlt werden, sondern bereits dann, wenn Erträge gutgeschrieben werden und sofort wieder angelegt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betreiber des Schneeballsystems leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies ist etwa der Fall, solange er Auszahlungsverlangen des jeweiligen Anlegers tatsächlich erfüllt. Dann steht der Steuerpflicht der Kapitalerträge nicht entgegen, dass der Betreiber des Schneeballsystems die Auszahlungswünsche sämtlicher Anleger nicht mehr befriedigen könnte, da bereits ein Verlust der Anlagesumme eingetreten ist. Das ist insofern eine Bestätigung des Senat-Urteils vom 16.3.2010 (Az.: VIII R 4/07).
Infolgedessen hatte das FG zu Unrecht die gutgeschriebenen und wiederangelegten (Schein-)Renditen nicht als Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen angesehen. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu gelangen, klicken Sie bitte hier.