Zur Abgrenzung steuerverstrickter von nicht steuerverstrickten Aktien i.S.d. § 17 EStG bei Girosammelverwahrung
FG Köln 24.4.2015, 7 K 1279/07Die Kläger sind an der börsennotierten D-AG beteiligt. Diese war im Jahr 1998 aus der 1989 gegründeten D-Fabrik GmbH hervorgegangen. Die Klägerin war zuletzt in einem Umfang von 10% an dem Stammkapital der GmbH von insgesamt 12,5 Mio. DM beteiligt gewesen. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung auf die Klägerin im Jahr 1998 Anteile an der GmbH von 48,5 %, nominell 4,85 Mio. DM gehalten, die er zuvor für insgesamt 485.000 DM erworben hatte. Laut Gesellschafterbeschluss sollte das Stammkapital der GmbH von 12,5 Mio. DM zum Grundkapital der AG werden und in 2,5 Mio. auf den Inhaber lautende Stammaktien in Form von Stückaktien eingeteilt werden. Der Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung ihrer Aktien war ausgeschlossen.
Die Aktien beider Kläger wurden in einem gemeinsamen Girosammeldepot bei einer‑Bank verwahrt. Durch Vorstandsbeschluss im Mai 1998 wurde das Grundkapital der AG unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Altaktionäre um 2,5 Mio. auf 15 Mio. DM erhöht. Kurz darauf erfolgte die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel mit amtlicher Notierung. Im Rahmen des Börsengangs wurden neben den 500.000 Stückaktien aus der Kapitalerhöhung auch 88.046 Aktien der Klägerin veräußert. Die Aktien der Klägerin stammten aus einer Überzeichnungsreserve (sog. Greenshoe), für die sie 125.000 Stück aus ihrem Bestand zur Verfügung gestellt hatte.
Nachdem die Kläger aus dem Aktienverkauf der Klägerin keine Einkünfte erklärt hatten, ermittelte das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn von rund 5,3 Mio. DM. Die Finanzbehörde war der Ansicht, dass es nach Umwandlung einer GmbH in eine AG nicht mehr möglich sei, den Aktien einzelne Anschaffungsvorgänge und Anschaffungskosten zuzuordnen. Es müsse daher eine Berechnung der Anschaffungskosten nach Durchschnittswerten erfolgen. Dies habe zur Folge, dass der Verkauf zur Hälfte steuerpflichtig nach § 17 Abs. 1 S. 4 EStG sei, weil die Anteile infolge des unentgeltlichen Erwerbs von dem Kläger 1998 durchschnittlich zur Hälfte steuerverhaftet seien.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: IX R 32/15 anhängig.
Die Gründe:
Der Ansatz eines Veräußerungsgewinnes nach § 17 EStG in der für das Streitjahr 1998 geltenden Fassung schied aus.
Der Kläger war seinerzeit zu mehr als 25 % und damit wesentlich an der GmbH beteiligt. Nach der unentgeltlichen Übertragung hielt die Klägerin damit einen steuerverstrickten GmbH-Anteil von 5 % mit einem Nennwert von 500.000 DM und einen weiteren, nicht steuerverhafteten Anteil in gleicher Höhe, soweit es sich um die von ihr selbst 1992 und 1996 erworbene Altbeteiligung handelte. Diese hälftige Steuerverhaftung erstreckte sich in gleichem Umfang auf die wenige Tage nach der unentgeltlichen Übertragung vorgenommene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Diese war verhältniswahrend und führte zu einem gleichmäßigen Übergang der in den - steuerverstrickten und nicht verstrickten - Altanteilen gebundenen stillen Reserven auf die hinzukommenden Neuanteile. Der aus der Kapitalerhöhung resultierende GmbH-Anteil der Klägerin war daher zu gleicher Quote von 50 % steuerverhaftet wie die bis dahin bestehende Beteiligung.
Schließlich setzte sich diese hälftige Steuerverhaftung der Beteiligung der Klägerin in gleichem Umfang an den Aktien fort, die infolge des Formwechsels aus der GmbH-Beteiligung hervorgegangen waren. Der Formwechsel führte nicht etwa - wie eine Verschmelzung - zu einem Anteilstausch und damit zu einem veräußerungsähnlichen Vorgang. Vielmehr bestanden die Anteile an der Gesellschaft in der Hand der Klägerin in anderer Gestalt, nämlich in Form von Aktien fort, so wie auf der Ebene der GmbH bzw. AG auch kein Rechtsträgerwechsel, sondern lediglich ein identitätswahrender Wechsel der Rechtsform stattgefunden hatte. Mithin setzte sich der von der Klägerin bei der Veräußerung der 88.046 Aktien gehaltene Gesamtbestand von 250.000 Aktien zusammen aus 125.000 Stück steuerverhafteten und 125.000 steuerlich nicht verhafteten Papieren.
Da nicht sicher feststellbar war, dass die veräußerten 88.046 Aktien ganz oder zum Teil aus dem steuerverstrickten Bestand von 125.000 Stück gespeist worden waren, verbot sich die Annahme einer Tatbestandsmäßigkeit des Veräußerungsvorganges nach § 17 Abs. 1 S. 5 EStG. Nach dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung muss für die Anwendung einer belastenden Vorschrift auf einen Wertpapierverkauf zumindest nach der Art und Stückzahl der Papiere feststehen, dass die Veräußerung auch tatsächlich in vollem Umfang die gesetzlichen Merkmale der Vorschrift erfüllt. Diese Auffassung hat der BFH bereits in verschiedenen Entscheidungen zur Subsumtion von Veräußerungen girosammelverwahrter Aktien unter die Tatbestände des § 23 EStG und des § 21 UmwStG vertreten. Zur Fortbildung des Rechts und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Anwendung der Durchschnittswertmethode bei Veräußerung eines Teils gleichartiger Gesellschaftsanteile bereits auf Tatbestandsebene dazu führen kann, dass jeder Gesellschaftsanteil als anteilig verkauft gilt, war dennoch die Revision zum BFH zuzulassen.
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