22.09.2014

Zur abweichenden Schätzung der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben zum vollen Steuersatz

Ist die Summe der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben zum vollen Steuersatz höher als die der Leistungsbezüge des Unternehmens zum vollen Steuersatz, rechtfertigt dies eine abweichende Schätzung.

Niedersächsisches FG 9.1.2014, 16 K 164/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Landschlachterei und setzt ihre Produkte insbes. in ihrer Filiale in J. ab. Daneben betreibt sie Stände auf Wochenmärkten, einen Catering-Service, einen Mittagstisch und bietet zubereitete Speisen auf verschiedenen regionalen Veranstaltungen an. O und R sind die Geschäftsführer der Klägerin und je zur Hälfte an ihr beteiligt.

Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgaben für die beiden Gesellschafter/Geschäftsführer und ihre Familien seitens der Klägerin keinerlei Aufzeichnungen geführt waren. Der Prüfer sah sich deshalb veranlasst, die Warenentnahmen mit den in der amtlichen Richtsatzsammlung für eine Fleischerei vorgesehenen Pauschbeträgen gewinnerhöhend anzusetzen und dabei auch die in der Richtsatzsammlung vorgesehene Aufteilung in dem ermäßigten Umsatzsteuersatz sowie dem Regelsteuersatz unterliegend anzuwenden. Entsprechend der Anzahl der Familienmitglieder und dem Alter der zugehörigen Kinder ermittelte der Außenprüfer die unentgeltlichen Wertabgaben.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend, dass die Werte der Richtsatzsammlung im Streitfall nicht ohne Korrektur angewendet werden dürften. Zu berücksichtigen sei, dass die durch die Außenprüfung angesetzten Werte der unentgeltlichen Wertabgaben zum Regelsteuersatz höher seien, als die gesamten Leistungsbezüge der Klägerin zum Regelsteuersatz. Deshalb müsse eine Deckelung erfolgen, wie sie entsprechend auch ertragsteuerlich bei der privaten Kfz-Nutzung vorgesehen sei. Soweit aber eine Deckelung derartiger Leistungsentnahmen in Betracht komme, gebe es keine rechtliche Veranlassung, die Leistungsentnahmen zum begünstigten Steuersatz um den entsprechenden Betrag zu erhöhen.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Revision wird beim BFH unter dem Az. V R 32/14 geführt.

Die Gründe:
Die festgesetzte Umsatzsteuer für die Streitjahre war zu reduzieren.

Es ist unstreitig, dass in den Steuererklärungen, die die Klägerin für die Streitjahre einreichte, zunächst keinerlei Umsätze aus Lebensmittelentnahmen aus dem Unternehmen der Klägerin für die Gesellschafter und deren Familien enthalten waren. Der Steuertatbestand des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG war hingegen - was ebenfalls unstreitig ist - dem Grunde nach erfüllt. Werden aber Entnahmen aus dem Unternehmen für außerunternehmerische Zwecke getätigt und diesbezügliche Aufzeichnungen entgegen der Vorgabe des § 22 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht gemacht, so besteht insoweit dem Grunde nach die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 162 AO.

Von dieser Befugnis hat das Finanzamt durch Anwendung der Pauschbeträge aus der Richtsatzsammlung Gebrauch gemacht. Es durfte jedoch die Werte der Richtsatzsammlung nicht vollständig unverändert anwenden. Die Klägerin hat überprüfbar dargelegt, dass ihre eigenen Leistungsbezüge zum Regelsteuersatz insgesamt niedriger waren, als die vom Finanzamt im Wege der Schätzung angenommene Bemessungsgrundlage der Leistungsentnahmen zum Regelsteuersatz. Es kann zwar Sachverhalte geben, bei denen Leistungsbezüge, die zum ermäßigten Steuersatz erfolgt sind, in Umsätze einfließen, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Aber Derartiges ist hier nicht ersichtlich. Denn auch gegenüber Dritten hat die Klägerin in den Streitjahren nur geringste Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Derartige Umsätze machen für 2010 weniger als 2 Prozent ihres Gesamtumsatzes aus.

Danach ergibt sich, dass die unbesehene Übernahme der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben nach der sog. Richtsatzsammlung im Streitfall nicht erfolgen kann ohne damit gegen § 162 Abs. 1 AO zu verstoßen. Denn die Klägerin hat dargetan, dass die Wertabgaben zum Regelsteuersatz in den Streitjahren niedriger gewesen sein müssen, als sich dies aus der Richtsatzsammlung ergibt. Nicht hingegen hat die Klägerin dargetan, dass die Sachentnahmen insgesamt pro Jahr geringer gewesen wären, als es die Richtsatzsammlung aufzeigt. Deshalb hält es das Gericht für sachgerecht den jeweiligen Jahreswert der Sachentnahmen durch die Gesellschafter/Geschäftsführer insgesamt weiter nach den Werten der Richtsatzsammlung anzusetzen. Es gibt keine Anhaltspunkte, weshalb angenommen werden könnte, dass der Jahresgesamtwert der Sachentnahmen bei der Klägerin geringer ausgefallen wäre, als bei anderen Fleischereibetrieben.

Linkhinweis:

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