Zur Abzweigung von Kindergeld: Konkret dargelegte behinderungsbedingte Betreuungsleistungen der Eltern sind zu berücksichtigen
FG Münster 25.3.2011, 12 K 2057/10 KgDie Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Familienkasse den Antrag der klagenden Kommune auf Abzweigung von Kindergeld gem. § 74 Abs. 1 EStG zu Recht abgelehnt hat. Die Mutter (Beigeladene) erhält für ihren am 1991 geborenen Sohn Kindergeld, für den ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "H" festgestellt ist. Er befindet sich aufgrund eines angeborenen Herzfehlers in ambulanter Behandlung in einer kardiologischen Ambulanz einer Klinik. Die Beigeladene begleitet ihren Sohn, der in ihrem Haushalt lebt und von ihr dort betreut und versorgt wird, zu den Behandlungsterminen.
Die Klägerin leistete an den Sohn fortlaufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII i.H.v. durchschnittlich 516 € mtl. Neben der Hilfe zum Lebensunterhalt erhielt der Sohn seit März 2010 ein Ausbildungsgeld i.H.v. 62 €. Der Kindesvater wurde zu einem Unterhaltsbeitrag nach § 94 Abs. 2 SGB XII i.H.v. 23,90 mtl. herangezogen, welcher auf die Hilfe zum Lebensunterhalt leistungsmindernd angerechnet wurde.
Die Klägerin stellte bei der Familienkasse einen Antrag auf Abzweigung von Kindergeld. Die Beigeladene hielt dem entgegen, dass sie selbst erhebliche Aufwendungen für ihren Sohn trage. Aufgrund dessen schwerer Herzerkrankung seien hierbei neben den Kosten für eine Fremdbetreuung auch ihre eigenen Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Die Familienkasse lehnte den Antrag der Klägerin auf Abzweigung des Kindergelds ab. Die Zahlung von Kindergeld an die Beigeladene erfolgte bis einschließlich Februar 2010.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine Abzweigung im Streitzeitraum nicht in Betracht kommt, da die Beigeladene Unterhaltsaufwendungen für ihr Kind getragen hat, welche den Betrag des Kindergeldes erreicht haben.
Eltern ist das Kindergeld zu belassen, sofern sie selbst für ihr behindertes Kind Aufwendungen zumindest in Höhe des mtl. Kindergelds erbringen. In die Berechnung sind auch die eigenen Betreuungsleistungen der Eltern für das Kind einzubeziehen. Dies setzt aber voraus, dass die Notwendigkeit der Betreuung und deren Durchführung nicht nur pauschal behauptet, sondern konkret dargelegt und glaubhaft gemacht werden.
Im Streitfall kann der gesamte Lebensbedarf des schwerbehinderten Sohnes nicht allein aus dessen eigenem Einkommen erbracht werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Lücke - mtl. 191 € - aus dem Einkommen der Mutter gedeckt wird. Zum Lebensbedarf des Sohns gehören neben den nachgewiesenen Kosten für die Fremdbetreuung auch die eigenen Betreuungsleistungen der Mutter. Dies ist deshalb der Fall, da die Mutter sowohl die Notwendigkeit der Betreuung als auch deren Durchführung nach Art und zeitlichem Umfang konkret dargelegt und durch ärztliche Bescheinigungen hinreichend glaubhaft gemacht hat.
Maßstab für die Bewertung des eigenen Betreuungsaufwandes sind die vergleichbaren Kosten für eine Fremdbetreuung, die im Streitfall mit 8 € je Stunde anzusetzen sind. Rein pauschal geltend gemachte eigene Betreuungskosten der Eltern wären dagegen - so der Senat bereits in einer anderen Entscheidung (12 K 1891/10 Kg) - bei der Ermittlung des Lebensbedarfes des Kindes nicht zu berücksichtigen.
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