Zur Anpassung eines Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid
FG Köln 18.5.2016, 11 K 441/14Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Der Kläger erzielte neben Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen und Renten - ebenso wie die Klägerin - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung resultierten aus Beteiligungen an Immobiliengesellschaften und wurden von den jeweils zuständigen Finanzämtern gesondert und einheitlich festgestellt.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erfasste der das Finanzamt 11.793 € bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 16.4.2012 fest. Eine Tarifbegünstigung ließ es unberücksichtigt. Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst telefonisch und sodann auch schriftlich, woraufhin die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung nach § 172 AO änderte und am 4.5.2012 einen Änderungsbescheid erließ, in dem sie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung weiterhin mit 11.793 € erfasste und hinsichtlich eines Betrags von 12.446 € eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG gewährte.
Auf den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger erließ das Finanzamt am 4.6.2012 einen Änderungsbescheid, in dem es die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers mit -652 € erfasste und einen Betrag von 12.446 € weiterhin der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG unterwarf. Am 10.6.2013 erließ die Behörde schließlich einen auf § 129 AO gestützten Änderungsbescheid und berücksichtigte nunmehr die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beim Kläger mit 11.793 €. Zudem gewährte sie für einen Betrag von 12.446 € weiterhin die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG. Die Kläger waren der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheids nach § 129 AO nicht gegeben seien. Auch die Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sei verbraucht.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Das Finanzamt durfte die Steuerfestsetzung vom 4.6.2012 nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ändern und die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung mit 11.793 € der Besteuerung unterwerfen.
Für die Frage, inwieweit ein Feststellungsbescheid für die nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewährenden Freibeträge Bindungswirkung entfaltet, ist zwischen der Zurechnung des Veräußerungsgewinns und den für den Freibetrag maßgebenden persönlichen Verhältnissen zu differenzieren. Die sachlichen Voraussetzungen, ob ein Veräußerungsgewinn in bestimmter Höhe entstanden und wem dieser Veräußerungsgewinn zuzurechnen ist, sind Gegenstand des Feststellungsverfahrens und damit für das Einkommensteuerverfahren bindend. Das gilt nicht nur für die Frage, ob ein Veräußerungsgewinn bei einem bestimmten Steuerpflichtigen überhaupt anzusetzen ist, sondern auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG.
Für eine nur partielle Bindungswirkung in der Weise, dass die Höhe des dem Steuerpflichtigen zugerechneten Veräußerungsgewinns für den Ansatz dem Grunde nach bindend wäre, für die Berechnung eines etwaigen Freibetrags hingegen nicht, gibt es keinen Anlass und keine Rechtfertigung. Hingegen sind die persönlichen Voraussetzungen des Freibetrags (Alter, Berufsunfähigkeit, Objektbeschränkung) nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung. Hierüber ist im Folgeverfahren zu befinden. Dementsprechend ist bei der Änderung eines Feststellungsbescheids der Folgebescheid soweit anzupassen, als Höhe und Zurechnung des Veräußerungsgewinns dies verlangen.
Hingegen ermöglicht § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO keine Korrektur von Fehlern, die vom Regelungsinhalt des Grundlagenbescheids nicht, auch nicht als Folgewirkung, berührt werden. Zum notwendigen Inhalt eines Gewinnfeststellungsbescheids, der einen Veräußerungsgewinn ausweist, gehört auch die Entscheidung über die Frage des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG. Der Gewinnfeststellungsbescheid muss daher entweder Angaben über einen Anteil des Steuerpflichtigen an dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG enthalten oder es muss aus dem Bescheid erkennbar sein, dass kein Freibetrag in Betracht kommt.
Infolgedessen war das Finanzamt zur Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 4.6.2012 und zur Erfassung der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 11.793 Euro berechtigt. Unerheblich war, dass der Änderungsbescheid vom 10.6.2013 auf § 129 AO gestützt wurde. Denn für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist nicht die zur Begründung herangezogene Vorschrift maßgebend; es kommt allein darauf an, ob der Aufhebungsbescheid zum Zeitpunkt seines Ergehens durch eine entsprechende Ermächtigungsnorm gedeckt ist.
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