20.02.2018

Zur Anwendung der sog. Öffnungsklausel in der Rentenbesteuerung

Nachzahlungen, die rentenrechtlich möglich sind, sind auch im Rahmen der Öffnungsklausel zu berücksichtigen. Rentenrechtlich möglich ist entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht gleichzusetzen mit "rentenrechtlich wirksam", d.h. ab wann die Einzahlung tatsächlich rentenerhöhend wirkt. Dafür findet sich in § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 3 EStG keine gesetzliche Grundlage.

FG München 27.12.2017, 1 K 2510/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger leistete ab 1970 Beiträge zur Bayer. Ärzteversorgung; während seiner Auslandstätigkeit leistete er Beiträge als freiwilliges Mitglied. Insgesamt zahlte der Kläger ausweislich des Schreibens der Bayer. Ärzteversorgung Beiträge für die Jahre 1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 und 2003 jeweils über dem Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung.

Im September 2012 teilte die Bayer. Ärzteversorgung dem Kläger auf seinen Antrag hin mit, dass für die Anwendung der sog. Öffnungsklausel die erforderlichen 10 Jahre nicht erfüllt seien, da er vor dem 1.1.2005 nur in 9 Jahren Einzahlungen oberhalb des Angestelltenversicherungshöchstbeitrages geleistet habe. Das BFH-Urteil vom 19.1.2010 (Az.: X R 53/08 - NV) sei auf die Bayer. Ärzteversorgung nicht übertragbar. Rentenrechtlich würden bei der Bayer. Ärzteversorgung Beitragszahlungen nach dem Jahr ihrer Einzahlung verrentet und nicht nach dem Jahr, für das sie möglicherweise bestimmt gewesen seien.

Anders als vom Kläger beantragt, wandte das beklagte Finanzamt die sog. Öffnungsklausel nicht an und besteuerte die Versorgungsleistungen des Klägers für die Streitjahre 2009, 2010, 2012 mit einem steuerpflichtigen Anteil von 50% nach § 22 Nr. 1 S. 3 EStG. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 2 EStG ist im vorliegenden Fall anzuwenden. Damit sind die Renten, soweit sie auf Beiträgen des Klägers oberhalb des allgemeinen Höchstbeitrags nach § 27 der Bayer. Ärzteversorgung der Jahre 1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 gezahlt worden waren, mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 4 EStG zu versteuern.

Sinn und Zweck der sog. Öffnungsklausel ist allein die Vermeidung einer möglichen verfassungswidrigen Doppelbesteuerung, die sich daraus ergeben kann, dass ein Steuerpflichtiger eine Altersrente als Einnahme versteuern muss, obwohl er die von ihm getragenen Beiträge, aufgrund derer er die Rente erhält, gerade wegen der Höhe nicht oder nicht vollständig als Sonderausgabe abziehen konnte. Nachzahlungen, die rentenrechtlich möglich sind, sind auch im Rahmen der Öffnungsklausel zu berücksichtigen. Rentenrechtlich möglich ist entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 19.8.2013 (BStBl 2013 I 1087, Rz. 240) nicht gleichzusetzen mit "rentenrechtlich wirksam", d.h. ab wann die Einzahlung tatsächlich rentenerhöhend wirkt. Dafür findet sich in § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 3 EStG keine gesetzliche Grundlage. Die einzige zeitliche Begrenzung ist der 31.12.2004, bis zu dem sich Zahlungen für die Öffnungsklausel qualifizieren konnten.

Der Kläger hatte zur Erhöhung seiner Rentenanwartschaften die Möglichkeit, Nachzahlungen für ein Kalenderjahr bis zum Ablauf des Folgejahres zu leisten (§ 27 Abs. 3 der derzeit geltenden Fassung der Satzung der Bayer. Ärzteversorgung sowie die Erläuterungen in den Bescheiden vom und Oktober 2003). Damit sind diese Nachzahlungen, soweit sie für ein abgelaufenes Jahr möglich waren, zur Berechnung des Höchstbeitrages im Rahmen der Öffnungsklausel zu berücksichtigen. Der Kläger hat einen Nachweis, dass seine Beiträge mindestens 10 Jahre den Höchstbeitrag zu seiner Rentenversicherung gem. § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 2 EStG überschritten haben, entgegen der Auffassung des Finanzamtes auch erbracht. Denn er hatte neun Jahre Rentenbeiträge oberhalb des Höchstbeitrages gezahlt.

Zudem ist auch der in 2003 für 2002 gezahlte Beitrag mit in die Berechnung der erforderlichen 10 Jahre einzubeziehen. Denn nach den Satzungsvorschriften der Bayer. Ärzteversorgung hatte der Kläger die Möglichkeit zur Erhöhung der Versorgungsanwartschaften freiwillige Mehrzahlungen zu leisten, die wie Pflichtbeiträge verrentet werden. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes ist die freiwillige Mehrzahlung eine mögliche rentenrechtliche Nachzahlung, die zur Anwendung der Öffnungsklausel führt. Denn entscheidend ist nicht, wann die Zahlung sich tatsächlich rentenrechtlich auswirkt. Hieran ändert auch der vom Finanzamt vorgetragene § 38 Abs. 2 der Bayer. Ärzteversorgung nichts.

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