29.09.2014

Zur Auslegung eines Kaufangebots "(incl. MwSt.)" an einen nicht umsatzsteuerpflichtigen Versicherungsnehmer

Der nach A.2.7.1 a Buchst. b AKB 2010 anzurechnende Restwert des versicherten Fahrzeuges ist der Betrag, der dem Versicherungsnehmer bei der Veräußerung am Ende verbleibt. Unterliegt er beim Fahrzeugverkauf der Umsatzsteuerpflicht, stellt lediglich der ihm nach Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt verbleibende Nettokaufpreis den anzurechnenden Restwert dar; ist er nicht umsatzsteuerpflichtig, erübrigt sich eine Unterscheidung, denn dann ist allein der Betrag, den der Versicherungsnehmer als Kaufpreis tatsächlich erlösen kann, anzurechnen.

BGH 10.9.2014, IV ZR 379/13
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Restwert eines unfallgeschädigten Kraftfahrzeugs. Der Kläger hielt für seinen Pkw bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung nach Maßgabe der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung, Stand 1.1.2010 (AKB 2010). Nach einer Unfallschadenmeldung gelangte ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis, die voraussichtlichen Reparaturkosten überstiegen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs.

Für diesen Fall ist unter A.2.7.1 a AKB 2010 u.a. bestimmt:

"Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

  • a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6.
  • b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts (siehe A.2.6.6 und A.2.6.7)."

Die in Bezug genommenen Klauseln lauten:

  • "A.2.6.6 Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den Sie für den Kauf eines gleichwertigen gebrauchten Fahrzeugs am Tag des Schadenereignisses bezahlen müssen.
  • A.2.6.7 Restwert ist der Veräußerungswert des Fahrzeugs im beschädigten oder zerstörten Zustand."

Weiter heißt es unter

"A.2.9 Mehrwertsteuer
Mehrwertsteuer erstatten wir nur, wenn und soweit diese für Sie bei der von Ihnen gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist. Die Mehrwertsteuer erstatten wir nicht, soweit Vorsteuerabzugsberechtigung besteht."

Im Gutachten ist für das Fahrzeug des Klägers ein Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteuer (sog. Nettowiederbeschaffungswert) ausgewiesen. Ferner hatte der Gutachter einen Restwert ohne Mehrwertsteuer (sog. Nettorestwert) von rd. 5.900 € und mit Mehrwertsteuer (sog. Bruttorestwert) von 7.000 € ermittelt. Dem lag ein von ihm eingeholtes verbindliches Kaufangebot eines Autohändlers (Kaufinteressentin) zugrunde, das auf "7.000 € (incl. MwSt.)" lautete. Die Beklagte erstattete dem Kläger den Nettowiederbeschaffungswert abzgl. des Bruttorestwerts von 7.000 € und einer Selbstbeteiligung von 150 €. Der Kläger meint, da er nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, dürfe neben der Selbstbeteiligung nur der Nettorestwert von 5.900 € in Abzug gebracht werden. Die Differenz von rd. 1.100 € macht er mit der Klage geltend.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Übersteigen die voraussichtlichen Reparaturkosten eines versicherten Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert, beschränkt sich das Leistungsversprechen des Versicherers nach A.2.7.1 a Buchst. a AKB 2010 im Falle einer dennoch bedingungsgemäß durchgeführten Reparatur darauf, die Reparatur- und Reparaturnebenkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts zu tragen. Verzichtet der Versicherungsnehmer auf die Reparatur, bezweckt A.2.7.1 a Buchst. b AKB 2010, ihn wirtschaftlich in die Lage zu versetzen, sich ein gleichwertiges Gebrauchtfahrzeug anzuschaffen. Regulierungsgrundlage ist dann der Wiederbeschaffungswert. Der Versicherungsnehmer muss sich aber mit dem Restwert denjenigen Betrag anrechnen lassen, den er aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs erlangen und somit für die Wiederbeschaffung einsetzen könnte. Maßgebend dafür ist allein der Betrag, der dem Versicherungsnehmer im Falle einer solchen Veräußerung am Ende verbleibt.

Unterliegt der Versicherungsnehmer beim Fahrzeugverkauf der Umsatzsteuerpflicht, ist er mithin verpflichtet, im Kaufpreis Umsatzsteuer auszuweisen und diese später an das Finanzamt abzuführen, stellt lediglich der ihm danach verbleibende Nettokaufpreis den nach A.2.7.1 a Buchst. b AKB 2010 anzurechnenden Restwert dar. Ist ein Versicherungsnehmer wie der Kläger im Falle eines Verkaufs nicht umsatzsteuerpflichtig, erübrigt sich eine Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoerlös; der anzurechnende Restwert ist dann allein der Betrag, den der Versicherungsnehmer als Kaufpreis tatsächlich erlösen kann.

Vorliegend ist deshalb maßgeblich, welchen Kaufpreis die Kaufinteressentin dem Kläger für sein Unfallfahrzeug tatsächlich gezahlt hätte. Dafür ist entscheidend, wie ihr Angebot "7.000 € (incl. MwSt.)" gemeint war. Wollte sie zum Ausdruck bringen, sie sei ungeachtet eines Ausweises von Mehrwertsteuer in der Verkaufsrechnung in jedem Falle bereit, 7.000 € für das Fahrzeug des Klägers zu zahlen, müsste sich der Kläger einen Restwert in dieser Höhe anrechnen lassen. Wäre das Angebot so zu verstehen, dass 7.000 € nur als Bruttobetrag eines umsatzsteuerpflichtigen Verkaufs, anderenfalls höchstens 5.900 € als entsprechender Nettobetrag geboten würden, beschränkte sich die Anrechnung auf die genannte Nettosumme. Das LG hat diese Frage nicht ausreichend geklärt. Es hat das fragliche Angebot insbes. nicht auszulegen versucht und stattdessen das im Berufungsrechtszug ergänzte Vorbringen des Klägers zu Unrecht nicht gem. § 531 ZPO zugelassen.

Das AG hat ohne Beweisaufnahme angenommen, ein Verbraucher wie der Kläger könne beim Verkauf seines Fahrzeuges als Erlös stets nur dessen Nettowert erzielen. Erst in der Berufungsbegründung hat die Beklagte Sachverständigenbeweis dafür angeboten, dass Bieter in sog. Restwertbörsen in Unkenntnis der Vorsteuerabzugsberechtigung des jeweiligen Verkäufers davon ausgingen, den gebotenen Preis unabhängig davon zahlen zu müssen, ob in der Verkaufsrechnung Mehrwertsteuer ausgewiesen werde oder nicht. Dem ist der Kläger mit der in das Zeugnis eines Mitarbeiters der Kaufinteressentin gestellten Behauptung entgegengetreten, ihr Angebot "7.000 € (incl. MwSt.)" habe nur für einen vorsteuerabzugsberechtigten Verkäufer gegolten. Dieses Vorbringen durfte das LG nicht zurückweisen, es hätte vielmehr nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden müssen.

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