07.03.2014

Zur Bankenhaftung im Insolvenzfall

Die von § 13c UStG vorausgesetzte Steuerfestsetzung kann sich aus einem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeben; dieser erledigt sich durch den Umsatzsteuerjahresbescheid, nach dem sich die Höhe der festgesetzten und bei Fälligkeit nicht entrichteten Steuer bestimmt. Können Steuerbescheide nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zedenten nach § 251 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 87 InsO nicht mehr ergehen, erledigt sich der Vorauszahlungsbescheid durch die Eintragung in die Insolvenztabelle oder der im Fall des Bestreitens durch den gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu erlassenden Feststellungsbescheid.

BFH 21.11.2013, V R 21/12
Der Sachverhalt:
Die klagende Sparkasse vergab im Zusammenhang mit einem Kontokorrentverhältnis ein Darlehen an eine GmbH. Diese musste ihren Geschäftsbetrieb aufgeben und veräußerte Anfang 2010 ihren Fuhrpark zu einem Kaufpreis von 980.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Aufgrund einer mit der Klägerin im Februar 2010 abgeschlossenen Abtretungsvereinbarung trat die GmbH den Anspruch auf den Kaufpreis aus dem Verkauf der Fahrzeuge in voller Höhe (1.166.200 €) an die Klägerin zur Rückführung des Kontokorrentkredites ab. Entsprechend der Abtretungsvereinbarung wurde der Bruttokaufpreis aus der Veräußerung der Fahrzeuge am 3.4.2010 dem bei der Klägerin geführten Kontokorrentkonto der GmbH gutgeschrieben und vollständig mit Kredit- und Zinsforderungen verrechnet.

Die GmbH meldete die Umsatzsteuer aus der Fahrzeugveräußerung in ihrer am 12.4.2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung I/2010 an, ohne aber die nach der Voranmeldung geschuldete Umsatzsteuer i.H.v. rd. 182.000 € zu entrichten. Auf Antrag vom 30.4.2010 wurde am 8.2.2011 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erklärte im März 2011 die Anfechtung der Abtretungsvereinbarung gem. § 131 InsO. Das Finanzamt nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid nach § 13c UStG für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer I/2010 aus der Fahrzeuglieferung i.H.v. 182.000 € als Haftungsschuldner in Anspruch.

Am 29.6.2011 schlossen die Klägerin und der Insolvenzverwalter einen Vergleich, mit dem die Klägerin den insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch im Zusammenhang mit der Abtretungsvereinbarung vom 11.2.2010 anerkannte. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von 300.000 € in die Insolvenzmasse und zum Verzicht auf die Anmeldung weiterer Ansprüche zur Insolvenztabelle. Im Gegenzug verzichtete der Insolvenzverwalter auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche. Der Insolvenzverwalter stellte die Klägerin im Innenverhältnis von sämtlichen Ansprüchen der Finanzverwaltung aus dem Haftungsbescheid frei. Die Zahlung zur Insolvenzmasse erfolgte am 12.7.2011.

Das FG gab der gegen den Haftungsbescheid gerichteten Klage teilweise statt. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg. Der Rechtmäßigkeit des gem. § 13c UStG i.V.m. § 191 AO erlassenen Haftungsbescheides stehe nicht entgegen, dass die Forderungsabtretung vom Insolvenzverwalter des Zedenten gem. § 129 InsO angefochten worden sei. Trotz Anfechtung habe die Klägerin den an sie abgetretenen Forderungsbetrag vereinnahmt. Soweit der infolge der Abtretung vereinnahmte Betrag aber von der Klägerin an den Insolvenzverwalter zurückerstattet worden sei, sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Haftung gem. § 13c UStG abzusehen. Im Umfang der Rückzahlung zur Insolvenzmasse sei der Haftungsbescheid daher zu Unrecht ergangen. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das Urteil des FG ist aufzuheben, da es die Haftung nach § 13c UStG auf der Grundlage des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides I/2010 bejaht, ohne zu prüfen, ob sich dieser Bescheid durch den Erlass eines Umsatzsteuerjahresbescheides, durch eine dem gleichzustellende Eintragung des Umsatzsteueranspruchs 2010 in die Insolvenztabelle oder durch den Erlass eines Feststellungsbescheides hierzu erledigt hat.

Die festgesetzte Steuer i.S.v. § 13c Abs. 1 S. 1 UStG kann sich aus einem Vorauszahlungsbescheid (§ 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 168 S. 1 AO) ergeben. Dieser hat im Verhältnis zur Steuerberechnung für das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 S. 2 UStG) und zur Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr (§ 18 Abs. 3 S. 1 UStG i.V.m. § 168 S. 1 AO) nur "vorläufigen Charakter". Denn nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist der Umsatzsteuerjahresbescheid vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Besteuerungszeitraums entstandene Steuer sowie für den Einbehalt der als Vorauszahlung für den Besteuerungszeitraum entrichteten Beträge.

Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich durch den Umsatzsteuerjahresbescheid festgelegt. Damit erledigen sich die für den Besteuerungszeitraum ergangenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide i.S.d. § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit. Infolgedessen kann der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid nach Ergehen des Jahresbescheides nicht mehr Grundlage für die Haftung nach § 13c UStG sein. Können nach § 251 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 87 InsO Steuerbescheide, aus denen sich eine "Zahllast" ergibt, nicht mehr ergehen, erledigt sich der Vorauszahlungsbescheid auch durch die Eintragung in die Insolvenztabelle oder den Erlass eines Feststellungbescheides.

Für die Berücksichtigung von Tabelleneintragung und Feststellungsbescheid als erledigende Ereignisse spricht auch das Gesamtschuldverhältnis, das nach der Rechtsprechung des BGH zwischen Steuerschuldner und Haftenden besteht. Im Streitfall hat das FG keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob sich der der Haftung zugrunde liegende Vorauszahlungsbescheid durch einen Umsatzsteuerjahresbescheid, einen Tabelleneintrag oder einen Feststellungsbescheid erledigt hat und ob sich hieraus ein abweichender Umfang der haftungsbegründenden Steuerschuld ergibt. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

Im zweiten Rechtsgang ist aufzuklären, ob bis zur Insolvenzeröffnung im Februar 2011 ein Umsatzsteuerjahresbescheid zur Umsatzsteuer 2010 ergangen ist, der zu einer Erledigung des zunächst haftungsbegründenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides I/2010 geführt hat und ob sich aus einem derartigen Jahresbescheid eine Minderung der haftungsbegründenden Steuerschuld ergibt. Darüber hinaus ist festzustellen, ob und mit welchem Inhalt der Anspruch Umsatzsteuer 2010 bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung am 18. April 2012 in die Insolvenztabelle eingetragen wurde (§ 178 Abs. 3 InsO) oder ob hierzu ein Feststellungsbescheid (§ 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO) ergangen ist. Nur wenn keines dieser erledigenden Ereignisse vorliegt, richtet sich die Haftungsinanspruchnahme im Streitfall weiter nach dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid I/2010.

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