Zur Berechnung des Schadens nach fehlerhafter steuerlicher Beratung einer GbR
BGH 8.9.2016, IX ZR 255/13Die Klägerin ist eine zum Betrieb einer Praxis für Physiotherapie gegründete GbR, die zwischen 1998 und 2007 von dem Beklagten zu 2) steuerlich beraten wurde. Dieser war bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2004 Mitgesellschafter der Beklagten zu 1), einer Steuerberatersozietät. Neben physiotherapeutischen Heilbehandlungen erbrachte die Klägerin im Auftrag der R-GmbH, in deren Räumen sie ihre Praxis betrieb, weitere sog. Wellnessbehandlungen.
Das zuständige Finanzamt ging davon aus, dass die von der Klägerin erbrachten Wellnessbehandlungen der Umsatz- und Gewerbesteuer unterlagen. Die Gewerbesteuerpflicht erfasste aufgrund der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sämtliche Einnahmen der Klägerin. Vor dem FG erhobene Klagen gegen die Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide blieben erfolglos.
Die Klägerin macht den ihr infolge der unterbliebenen Ausgliederung des Wellnessbereichs in eine gesonderte Gesellschaft verursachten Gewerbesteuerschaden i.H.v. rd. 46.000 € sowie die vor dem Finanzgericht entstandenen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. rd. 7.000 € geltend. Von dem von der Klägerin an das Finanzamt nachzuentrichtenden Umsatzsteuergesamtbetrag i.H.v. rd. 106.000 € erklärte sich die R-GmbH in einem mit der Klägerin geschlossenen Vergleich bereit, einen Teilbetrag i.H.v. rd. 68.000 € zu übernehmen. Insoweit begehrt die Klägerin Ersatz der darüber hinaus nachzuzahlenden Umsatzsteuer i.H.v. rd. 37.500 € sowie der auf die Umsatzsteuernachforderungen entfallenden Zinsen i.H.v. rd. 18.000 €.
Das LG gab der Klage gegenüber der Beklagten zu 1) in Höhe des Gewerbesteuerschadens und der auf die Umsatzsteuernachforderung entfallenden Zinsen statt. Auf die wechselseitigen Berufungen verurteilte das OLG die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz des Gewerbesteuerschadens, der Zinsen auf die Umsatzsteuernachforderung sowie der vor dem FG entstandenen Rechtsverfolgungskosten und wies die Berufung hinsichtlich des Umsatzsteuerschadens zurück. Auf die Revisionen der Parteien hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der insgesamt nachzuzahlenden Gewerbesteuer nicht angenommen werden.
Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz-anspruchs ist § 280 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist für die Schadensbetrachtung allerdings nicht ausschließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind aufgrund der Ausgestaltung des den Beklagten erteilten Mandats auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin zu berücksichtigen. Danach ist das OLG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin grundsätzlich den ihr durch die Pflichtverletzung der Beklagten entstandenen Gewerbesteuerschaden ersetzt verlangen kann. Allerdings sind auch die bei den Gesellschafterinnen der Klägerin angefallenen Anrechnungsvorteile im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung in die Gesamtbewertung einzubeziehen.
Das OLG ist demnach zutreffend von der Entstehung eines Schadens in Höhe der zu viel entrichteten Gewerbesteuer ausgegangen. Der Umstand, dass der Klägerin Einnahmen auch aus den Wellnessbehandlungen zugeflossen sind, die sie im Fall der Ausgliederung nicht erzielt hätte, wirkt sich nicht schadensmindernd aus. Der zwischen der Klägerin und den Beklagten abgeschlossene Beratungsvertrag umfasste auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin. Weil aufgrund des steuerrechtlichen Transparenzprinzips der von der Klägerin als Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn anteilig bei den Gesellschafterinnen zu erfassen war, schloss die steuerliche Beratung der Klägerin auch einkommensteuerliche Fragen sowie die Anfertigung der Einkommensteuererklärungen der Gesellschafterinnen ein. Die Beklagten hatten demnach die wirtschaftlichen Folgen einer Ausgliederung der nicht der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG unterfallenden Leistungen sowohl im Hinblick auf das Vermögen der klägerischen Gesellschaft als auch ihrer Gesellschafterinnen zu prüfen.
Die aus den Wellnessbehandlungen gezogenen Vorteile sind der Klägerin nicht schadensmindernd entgegenzuhalten. Diese Einnahmen sind wirtschaftlich den Gesellschafterinnen zuzurechnen und wären diesen als Einnahmen einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin zuzuordnen gewesen, ohne dass für die Einnahmen aus physiotherapeutischen Heilbehandlungen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Gewerbesteuer angefallen wäre. Die den Gesellschafterinnen durch die Ermäßigung ihrer Einkommensteuer gem. § 35 Abs. 1 EStG erwachsenden Vorteile sind allerdings grundsätzlich auf den klägerischen Schaden anzurechnen. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht abgelehnt. Wird die Haftung des Steuerberaters durch die Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter in das steuerliche Beratungsmandat erweitert, muss es ihm auch möglich sein, sich auf die infolge der fehlerhaften Beratung entstandenen Vorteile dieser Dritten zu berufen. Bislang hat das OLG die tatsächlichen Voraussetzungen einer möglichen Anrechnung der den Gesellschafterinnen entstandenen Vorteile jedoch nicht festgestellt.
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