11.11.2014

Zur Berücksichtigung der Erledigungsgebühr bei Zustimmung zu einer gerichtlichen Verständigung

Nr. 1002 VV RVG erfordert eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist. Es ist insoweit kaum eine größere Mitwirkung des Bevollmächtigten bei der Erledigung eines Rechtsstreits vorstellbar, als bereits im Vorfeld der Gespräche mit dem Steuerpflichtigen die Verantwortung für eine (noch) nicht abgesprochene Erledigungserklärung zu übernehmen.

FG Köln 30.9.2014, 10 Ko 2686/14
Der Sachverhalt:
Die Erinnerungsführerin hatte im Verfahren 2 K 1406/10 wegen Vorsteuer-Vergütung für das Jahr 2006 geklagt. Das Finanzamt hatte die für das Jahr 2006 zu vergütende Vorsteuer auf rd. 128.000 € festgesetzt. Die Erinnerungsführerin begehrte, die zu vergütende Vorsteuer um weitere rd. 20.000 € zu erhöhen. Dabei ging es bzgl. des Produkts "A" um ein Vorsteuervolumen von rd. 800 € und um zwei Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH mit einem Vorsteuervolumen von insgesamt rd. 19.200 €, die nach Auffassung des Finanzamts nicht im Original vorgelegt worden waren.

In der mündlichen Verhandlung verständigten sich die Beteiligten auf Vorschlag des Vorsitzenden dahin, dass hinsichtlich einer der streitigen Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH von einem vergütungsfähigen Original auszugehen sei. Vor diesem Hintergrund verpflichtete sich das Finanzamt zur Berücksichtigung eines weiteren Vergütungsbetrags von 9.600 €. Anschließend erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurden die Kosten des Verfahrens den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt. Der Bevollmächtigte beantragte daraufhin, die insgesamt zu erstattenden Kosten ausgehend vom Streitwert i.H.v. rd. 20.000 € auf rd. 1.240 € festzusetzen. Dabei beantragte der Bevollmächtigte u.a. den Ansatz einer 1,0-Erledigungsgebühr für das Klageverfahren i.H.v. 646 €.

Die Berücksichtigung der beantragten Erledigungsgebühr wurde abgelehnt. Zwar liege eine Einschränkung des Klagebegehren in einer Größenordnung von über 10 Prozent vor, allerdings habe kein Einwirken auf die Erinnerungsführerin zur Erledigung des Verfahrens stattgefunden, zumal auch kein Vertreter der Erinnerungsführerin in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen sei. Der Bevollmächtigte habe das Verfahren in der mündlichen Verhandlung ohne vorheriges Gespräch mit der Klägerin für erledigt erklärt. Daher fehle es an der erforderlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits. Der Bevollmächtigte macht demgegenüber geltend, er habe nicht nur mitgewirkt, sondern seine anwaltliche Entscheidung habe das erledigende Ereignis letztlich bewirkt. Daher sei es unerheblich, dass neben dem Bevollmächtigten kein weiterer Vertreter der Erinnerungsführerin anwesend gewesen sei.

Das FG gab der Erinnerung statt und setzte die dem Bevollmächtigten zu erstattenden Kosten - unter Berücksichtigung der der beantragten Erledigungsgebühr - antragsgemäß auf 1.240 € fest.

Die Gründe:
Dem Bevollmächtigten stand die begehrte Erledigungsgebühr zu, weil er in hinreichender Weise bei der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt hat.

Nr. 1002 VV RVG erfordert eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist. Durch die mit dem RVG neu geschaffene Einigungsgebühr sollte die Ungewissheit beseitigt werden, wann es sich bei einem Vertrag zur Beilegung eines Streits um einen echten Vergleich i.S. § 779 BGB handelte. Dementsprechend soll die Einigungsgebühr nicht für einen zur Streitbeilegung geschlossenen Vertrag anfallen, in dem ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Einschränkung verhindern, dass schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf Weiterverfolgung eines Anspruchs die Einigungsgebühr auslöst.

Die Erledigungsgebühr ist also nach wie vor eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann. Die Erledigungsgebühr entsteht weder, wenn sich die Sache bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Sie entsteht ebenso wenig, wenn der Kläger die Klage auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten zurücknimmt oder wenn das Finanzamt - etwa unter dem Eindruck eines ergänzenden Schriftsatzes - den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt. Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten wäre.

Das erforderliche Mitwirken kann aber in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität nimmt das Gericht eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens an, wenn es um mehr als 10 Prozent eingeschränkt wird.

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung mitgewirkt, auch wenn er selbst keinen eigenen Erledigungsvorschlag unterbreitet hat. Es kann keine Rolle spielen, ob das Einwirken auf den Steuerpflichtigen durch eine zusätzliche Beratungsleistung, durch die diesem die Einschränkung des Klagebegehrens nahegebracht wird, vor der prozesswirksamen Einschränkung des Klagebegehrens und der anschließenden Abgabe der Erledigungserklärung erfolgt, oder ob die Beratungsleistung im Nachhinein erfolgt, nachdem der Bevollmächtigte bereits selbst die Verantwortung - und auch das Risiko - für die Zustimmung zur Prozesserledigung übernommen hat. Es ist kaum eine größere Mitwirkung bei der Erledigung eines Rechtsstreits vorstellbar, als bereits im Vorfeld der Gespräche mit dem Steuerpflichtigen die Verantwortung für eine (noch) nicht abgesprochene Erledigungserklärung zu übernehmen.

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