22.10.2015

Zur Besteuerung einer Entschädigungszahlung für entgehende Einnahmen aufgrund einer Vergleichsvereinbarung

Verzichtet der Betreiber einer mobilen Altenpflege zur Beilegung eines jahrelangen Rechtsstreits auf die ihm zustehende Förderung nach dem LPflgeHG Rheinland-Pfalz und erhält er hierfür vom Land und Landkreis eine Entschädigung, handelt es sich um eine steuerbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG.

BFH 25.8.2015, VIII R 2/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb eine mobile Altenpflege und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG. In der Einkommensteuererklärung für 2005 erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. rd. 170.000 €. Er gab an, dass in den Betriebseinnahmen i.H.v. insgesamt rd. 640.000 € tarifbegünstigte Gewinne i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG i.H.v. rd. 190.000 € enthalten seien.

Diese Einnahmen beruhten auf einem Vergleich, den der Kläger im Jahr 2005 mit dem Land Rheinland-Pfalz i.H.v. rd. 140.000 € und einem Landkreis i.H.v. rd. 50.000 € abgeschlossen hatte. Der Vergleich erfolgte unter Berücksichtigung des Urteils des OVG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2004 (12 A 11388/04), wonach die Förderpraxis des Landes und Landkreises, nach der in jedem Betreuungsbereich nur ein Träger einer Sozialstation die Investitionsförderung nach § 12 Abs. 2 LPflgeHG Rheinland-Pfalz (LPflgeHG) erhielt, das Grundrecht der konkurrierenden Anbieter auf freie Berufsausübung verletze. Die Zuschüsse nach § 12 Abs. 2 LPflgeHG dienten der Förderung der betriebsnotwendigen Aufwendungen i.S.d. § 82 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB XI.

Der Vergleich erfolgte zur Abgeltung sämtlicher Forderungen des Klägers gegen das Land und den Landkreis nach dem LPflgeHG für den Zeitraum von 1995 bis zum 31.12.2005. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, sämtliche Förderanträge für den Zeitraum bis 31.12.2005 zurückzunehmen. Das Finanzamt besteuerte die Einnahmen des Klägers aus dem Vergleich im Einkommensteuerbescheid für 2005 nicht tarifbegünstigt, sondern mit dem Regelsteuersatz.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG ist der einmalige Ertrag aus der Auszahlung der Vergleichssumme als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG gem. § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern.

§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG, schafft aber keinen neuen Besteuerungstatbestand. Es muss also eine kausale Verbindung zwischen der Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen. Letztere müssten, falls sie erzielt worden wären, steuerpflichtig sein. Dies ist hier der Fall. Die Zuschüsse aus der Investitionsförderung wären gem. § 12 Abs. 2 LPflgeHG als Betriebseinnahmen zu versteuern gewesen, wenn der Kläger von seinem Wahlrecht nach Abschn. 6.5 der Einkommensteuer-Richtlinie 2005, die Zuschüsse erfolgsneutral zu behandeln, keinen Gebrauch gemacht hätte.

Schon dem Begriff nach setzt eine Entschädigung voraus, dass es sich um eine Ersatzleistung handelt. Sie darf nicht die vertraglich vereinbarte Erfüllungsleistung sein, sondern muss auf der Grundlage einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage geleistet werden. So ist es hier. Nach dem eindeutigen Wortlaut der zwischen dem Kläger und dem Land und Landkreis abgeschlossenen Vergleichsvereinbarungen wurde nicht der ursprüngliche nach dem LPflgeHG bestehende Anspruch des Klägers auf Förderung in seiner Zahlungsmodalität verändert, sondern eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, da die Zahlung die Rücknahme der Förderanträge durch den Kläger voraussetzte und der Höhe nach von den gesetzlich vorgegebenen Fördergeldern abwich.

Demzufolge begründete der Vergleich einen Entschädigungsanspruch des Klägers, der auf die ihm zustehende Förderung nach dem LPflgeHG unter einem nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Druck verzichtet hat. Denn wäre der Kläger nicht auf das Vergleichsangebot eingegangen, hätte er seine Ansprüche nach dem LPflgeHG weiter auf dem Rechtsweg verfolgen müssen und seinem Geschäftsbetrieb wäre zunächst zumindest teilweise die Ertragsgrundlage entzogen worden. Der BFH ist auch nicht hinsichtlich der Feststellungen des FG an dieser rechtlichen Würdigung gehindert. Das FG hat zu der Frage, ob der Kläger bei Vergleichsabschluss unter erheblichem tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Druck gestanden hat, in den Urteilsgründen keine Feststellungen getroffen; eine Bindungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO besteht somit nicht.

Es handelt sich auch nicht um einen Geschäftsvorfall, den der Kläger im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit üblicherweise abgeschlossen hat, sondern um einen ungewöhnlichen Geschäftsvorfall. Daher war der Kläger nicht verpflichtet, die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Förderung ambulanter Hilfen nach § 12 Abs. 2 LPflgeHG bereits in einem früheren Veranlagungszeitraum zu aktivieren, da diese vom Land und Landkreis bis zum Abschluss des Vergleichs im Streitjahr bestritten worden waren.

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