Zur Bilanzierung von Steuernachforderungen nach doppeltem Ausweis von Umsatzsteuer und späterer Rechnungskorrektur
BFH 15.3.2012, III R 96/07Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitzeitraum, den Jahren 2001 bis 2003, als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG).
Das Finanzamt stellte bei einer Außenprüfung im Jahr 2005 fest, dass der Kläger in allen drei Streitjahren die Umsatzsteuer teilweise doppelt ausgewiesen hatte, nämlich sowohl in den von ihm erteilten Abschlagsrechnungen als auch in den Schlussrechnungen. Die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer wurde in der Prüferbilanz jeweils im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit passiviert. Dadurch wurden die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb negativ.
Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre am 6.2.2006 auf jeweils 0 € herab und erließ zugleich erstmals die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12. der Jahre 2001 bis 2003. Sämtliche Rechnungen mit unzutreffendem Umsatzsteuerausweis hatte der Kläger bereits im Jahr 2005 korrigiert.
Das FG wies die gegen die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer (§ 10d Abs. 4 S. 2 EStG) auf den 31.12. der Jahre 2001 bis 2003 sind rechtmäßig.
Die zusätzlich geschuldeten Umsatzsteuerbeträge sind in den Streitjahren zu passivieren, in denen sie infolge des doppelten Ausweises entstanden sind, und nicht erst im Jahr der Aufdeckung dieser Vorgänge durch die Betriebsprüfung. Das FG hat vorliegend nicht festgestellt, dass dem Kläger eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist. Daher kommt es nicht darauf an, dass eine Rückstellung für hinterzogene Steuern nicht gebildet werden darf, solange die Tat noch nicht entdeckt ist, weil eine Bilanz, die keine Rückstellungen für hinterzogene Steuern ausweist, nicht als fehlerhaft angesehen wird, wenn die Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages noch nicht aufgedeckt war und auch noch nicht mit Ermittlungen begonnen wurde.
Die Erstattungsansprüche wegen der im Jahr 2005 vorgenommenen Rechnungskorrekturen konnten in den Streitjahren noch nicht aktiviert werden. Die Aktivierung einer Forderung (§ 266 Abs. 2 B.II. HGB) richtet sich bei buchführenden Gewerbetreibenden nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. HGB). Eine Forderung ist daher erst zu aktivieren, wenn sie rechtlich entstanden ist oder wenn die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt wurden und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs hinreichend sicher rechnen kann.
Zahlungsansprüche gegen das Finanzamt infolge der Berichtigung von Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis entstehen gem. § 14c Abs. 1 S. 2 (bis einschließlich 2003: § 14 Abs. 2 S. 2) i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG rechtlich erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung berichtigt wird. Da die Rechnungen vom Kläger erst im Jahr 2005 berichtigt wurden, entstanden die sich daraus ergebenden Ansprüche nicht bereits in den Streitjahren (§ 38 AO). Die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für die Steuervergütungsansprüche gegenüber dem Finanzamt bestanden in der Korrektur der Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis. Diese erfolgten jedoch erst im Jahr 2005, nachdem die Betriebsprüfung den doppelten Steuerausweis beanstandet hatte.
Die zur Aktivierung eines infolge des Vorsteuerabzugs entstandenen Steuervergütungsanspruchs entwickelten Grundsätze, wonach die Vorsteuer aus bezogenen Lieferungen und Leistungen auch dann zu aktivieren ist, wenn noch keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt, sind auf den Streitfall nicht zu übertragen. Denn der Vorsteuerabzug beruht jeweils auf der an den Unternehmer erbrachten Leistung des anderen Unternehmers, der zivilrechtlich auch eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung schuldet. Die sich aus den Rechnungskorrekturen ergebenden Steuervergütungsansprüche beruhen dagegen wirtschaftlich nicht auf den vom Kläger in den Streitjahren ausgeführten Leistungen, sondern den durch die späteren Feststellungen des Betriebsprüfers veranlassten Rechnungskorrekturen.
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