01.09.2011

Zur Bindungswirkung von Bescheiden über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts i.S.v. § 10a GewStG

Ist in einem an eine Personengesellschaft gerichteten bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheid i.S.v. § 10a GewStG der Fehlbetrag nicht um den Anteil eines ausgeschiedenen Mitunternehmers gekürzt worden, steht der anteilige Fehlbetrag den zum Feststellungszeitpunkt tatsächlich beteiligten Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zur Verrechnung mit deren künftigen Erträgen zur Verfügung.

BFH 16.6.2011, IV R 11/08
Der Sachverhalt:
Die im Jahr 1992 gegründete Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erzielte in den Jahren 1992 bis 1995 Gewerbeverluste, in den Jahren 1996 bis 2000 ergaben sich jeweils positive Gewerbeerträge. Das Finanzamt stellte mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid von Februar 1998 nach § 10a GewStG den vortragsfähigen Fehlbetrag auf den 31.12.1996 i.H.v. etwa 17,7 Mio. DM fest. Hiervon entfielen etwa 9,6 Mio. DM auf die beiden Mitunternehmer X und Y, die bereits in den Jahren 1994 und 1995 ausgeschieden waren. Der Bescheid wurde - ebenso wie die Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.1994 und auf den 31.12.1995 - bestandskräftig.

In den sich anschließenden Streitjahren (1997 bis 2000) gab es weitere Gesellschafterwechsel, ohne dass das Finanzamt die Auswirkungen in den betreffenden Feststellungsbescheiden berücksichtigte. Erst im Anschluss an eine Außenprüfung erließ es entsprechend geänderte Bescheide. Die Verlustfeststellungsbescheide enthielten aber weiterhin die anteiligen Fehlbeträge für die in den Jahren 1994 und 1995 ausgeschiedenen Mitunternehmer; sie wurden auch nicht in den Gewerbesteuermessbescheiden mit Gewinnen verrechnet.

Mit den gegen die Verlustfeststellungsbescheide und Gewerbesteuermessbescheide erhobenen Einsprüchen begehrte die Klägerin, den auf den 31.12.1996 bestandskräftig festgestellten Fehlbetrag von etwa 17,7 Mio. DM auf alle an diesem Tag tatsächlich beteiligten Mitunternehmer entsprechend ihrer Beteiligungsquote zu verteilen und in der Folgezeit mit deren künftigen Gewinnanteilen zu verrechnen. Dem folgte das Finanzamt nicht.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG steht wegen der Bindungswirkung eines bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheids der auf einen ausgeschiedenen Mitunternehmer entfallende anteilige Fehlbetrag den zum Feststellungszeitpunkt tatsächlich beteiligten Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zur Verrechnung mit deren künftigen Erträgen zur Verfügung.

Gem. § 10a S. 1 GewStG wird der Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für vorangegangene Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist materiell-rechtliche Voraussetzung für den Verlustabzug sowohl die sog. Unternehmensidentität als auch die sog. Unternehmeridentität. Beim Ausscheiden von Mitunternehmern aus einer Personengesellschaft geht der Verlustabzug gem. § 10a GewStG verloren, soweit der Fehlbetrag anteilig auf die ausgeschiedenen Mitunternehmer entfällt.

Im Streitfall ist der Fehlbetrag daher mit dem Ausscheiden der beiden Mitunternehmer in den Jahren 1994 und 1995 anteilig untergegangen. Die (bestandskräftigen) Verlustfeststellungsbescheide 1994 und 1995, die den anteiligen Wegfall des Fehlbetrags nicht berücksichtigt haben, der (ebenfalls bestandskräftige) Feststellungsbescheid 1996 und die (hier angefochtenen) Feststellungsbescheide 1997 bis 2000 weisen demgemäß einen zu hohen Fehlbetrag aus. Aufgrund der Bindungswirkung des bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheids für den Gewerbesteuermessbescheid des nachfolgenden Erhebungszeitraums sind die auf die ausgeschiedenen Mitunternehmer entfallenden Verluste jedoch auf die zum Feststellungszeitpunkt tatsächlich beteiligten Mitunternehmer entsprechend ihrer Beteiligungsquote zu verteilen.

Die materiell unrichtige, aber aus formellen Gründen gültige Regelung des Verlustfeststellungsbescheids führt aber nicht dazu, dass der Personengesellschaft als solcher unabhängig von ihrem Gesellschafterbestand ein "Verlusttopf" zur Verfügung stünde. Träger des Verlusts sind weiterhin die einzelnen Mitunternehmer. Um in der Folgezeit eine auf die Mitunternehmer bezogene Berechnung des Fehlbetrags zu gewährleisten, ist der zum Feststellungszeitpunkt auf den ausgeschiedenen Mitunternehmer entfallende anteilige Fehlbetrag auf die noch vorhandenen Gesellschafter verhältnismäßig zu verteilen. Der ihnen auf diese Weise zugerechnete anteilige Fehlbetrag des ausgeschiedenen Gesellschafters kann sodann mit den auf die Mitunternehmer anteilig entfallenden positiven Gewerbeerträgen nachfolgender Erhebungszeiträume im Gewerbesteuermessbescheid verrechnet werden.

Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

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