Zur Einfuhrumsatzsteuer und der Feststellung des Steuerschuldners bei Zigarettenschmuggel
BFH 22.5.2012, VII R 50/11Beim Kläger waren im Februar 2007 anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung u.a. in seinem Auto 40 Kartons mit je 25 Stangen Zigaretten der Marke Marlboro ohne Steuerzeichen gefunden worden. Er gab an, er habe die Kartons von einer Person, deren Vornamen (J.) er lediglich nannte, mit dem Auftrag erhalten, diese mit seinem Auto zu einem bestimmten Parkplatz zu bringen, das Fahrzeug dort stehen und den Fahrzeugschlüssel auf dem Vorderreifen liegen zu lassen. Im Beisein des J. habe er einen Karton geöffnet und dabei entdeckt, dass sich darin nicht - wie zuvor von J. behauptet - Porzellanwaren, sondern Zigaretten befunden hätten. Er habe den Transport gleichwohl ausgeführt, weil er im Fall der Weigerung Repressalien befürchtet habe.
Das Hauptzollamt setzte die auf die Zigaretten entfallenden Einfuhrabgaben (3.920 € Zoll, 7.232 € Einfuhrumsatzsteuer und 27.338 € Tabaksteuer) gegen den Kläger fest. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid war rechtmäßig.
Nach Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht wird. Die Zigaretten waren über Polen vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht worden, weshalb die Zollschuld des Art. 202 ZK zwar in Polen entstanden ist, jedoch nach Art. 215 Abs. 4 ZK gleichwohl als in Deutschland entstanden gilt, weil in Deutschland ihre Entstehung festgestellt wurde und sie weniger als 5.000 € betrug. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer, weil für diese nach § 21 Abs. 2 UStG die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten.
Das FG hatte auch zu Recht die auf die Zigaretten entfallende Tabaksteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer (§ 11 Abs. 1 UStG) berücksichtigt. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG sind die aufgrund der Einfuhr im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer auf den Gegenstand entfallenden Beträge an (u.a.) Verbrauchsteuern der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer hinzuzurechnen. Da es sich hierbei um eine Vorschrift zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die deutsche Einfuhrumsatzsteuer handelt, ist allein der Zeitpunkt des Entstehens der deutschen Einfuhrumsatzsteuer maßgeblich. Daher kommt nicht der Zeitpunkt der Einfuhr der Zigaretten nach Polen in Betracht.
Letztlich hatte das FG auch zu Recht den Kläger als Schuldner der Tabaksteuer angesehen. Steuerschuldner ist nach § 19 S. 2 TabStG der Empfänger der Tabakwaren, sobald er Besitz an ihnen erlangt hat. Der BGH hat zwar zu § 19 S. 2 TabStG die Auffassung vertreten, Schuldner der Tabaksteuer könne nur derjenige "Empfänger" der Tabakwaren sein, der den Besitz an diesen im Rahmen des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs selbst erlangt habe, somit nicht derjenige, in dessen Besitz die Tabakwaren erst gelangen, nachdem der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet worden sei. Ob diese Ansicht einer richtlinienkonformen Auslegung nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG entspricht, konnte jedoch offenbleiben, weil der Kläger auch bei der vom BGH vertretenen Auslegung Schuldner der Tabaksteuer wäre. Der Vorgang des Verbringens der Zigaretten in das deutsche Steuergebiet war nämlich noch nicht beendet, als der Kläger sie zum Zweck ihres Weitertransports in sein Fahrzeug umladen ließ. Die Zigaretten waren noch nicht - wie es der BGH formuliert - "in Sicherheit gebracht" worden und "zur Ruhe gekommen", als der Kläger den Besitz an ihnen erlangte.
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