10.12.2020

Zur Einkommensteuerpflicht eines Gastarztstipendiums

Stipendien, die einem ausländischen Gastarzt von seinem Heimatland für eine Facharztweiterbildung in Deutschland gezahlt werden, können der Einkommensteuer unterliegen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Weiterbildung im Rahmen eines Dienst- oder diesem vergleichbaren Rechtsverhältnisses erfolgt, die Leistungen aus dem Stipendium an die Erfüllung der sich aus einem solchen Rechtsverhältnis ergebenden Verpflichtungen anknüpfen und darüber hinaus die fehlende Entlohnung aus jenem Rechtsverhältnis ausgleichen sollen.

BFH v. 8.7.2020 - X R 6/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin absolvierte nach ihrem Medizinstudium in Libyen an einer deutschen Universitätsklinik eine Weiterbildung zur Fachärztin. Während dieser Zeit hatte sie einen Gastarztstatus und war einer Assistenzärztin vergleichbar tätig. Sie wurde von der Klinik vereinbarungsgemäß nicht entlohnt, sondern erhielt zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten aus Libyen monatliche Stipendien.

Das Finanzamt besteuerte die Leistungen im Streitjahr 2014 als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 EStG. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es war der Ansicht, die Stipendien seien keine steuerbaren Einnahmen. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück.

Gründe:
Zwar ist das FG in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die von der Klägerin im Streitjahr bezogenen Leistungen aus dem Stipendium keine steuerbaren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind. Allerdings kann der Senat auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob es sich bei den Zuflüssen um steuerbare Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gem. § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 3 Buchst. b EStG handelt. Diese Frage kann auch nicht mit Blick auf eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 bzw. Nr. 44 EStG offenbleiben.

Stipendien oder Studienbeihilfen können einkommensteuerbare wiederkehrende Bezüge i.S.v. § 22 Nr. 1 EStG sein. Dies setzt allerdings voraus, dass sie keiner vorrangigen Einkunftsart (z.B. Arbeitslohn) zuzuordnen sind und nicht freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht vom Stipendiengeber gezahlt wurden. An einer solchen Freiwilligkeit fehlt es grundsätzlich, wenn den Zahlungen eine wirtschaftliche Gegenleistung des Stipendiaten gegenübersteht.

Im vorliegenden Fall waren zwar weder die Facharztweiterbildung an sich noch die Erwartung, die Klägerin werde nach ihrer Weiterbildung als Fachärztin in Libyen tätig sein, als Gegenleistung für das Stipendium anzusehen. Doch erfolgt die Facharztweiterbildung in Deutschland grundsätzlich im Rahmen einer vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit. Knüpfen die Leistungen aus einem Stipendium an die sich aus der Gastarzttätigkeit ergebenden Verpflichtungen an und gleichen die fehlende Entlohnung aus, stellt sich das Stipendium zumindest auch als Gegenleistung für die Tätigkeit dar und sind steuerbar. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit nicht dem Stipendiengeber, sondern einem Dritten (Klinik) zugutekomme. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG ist ausgeschlossen, wenn der Gastarzt weisungsgebunden zur Ausübung ärztlicher Betätigungen verpflichtet ist.

Für eine abschließende Entscheidung fehlten jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen sowohl zur Ausgestaltung des zwischen der Universitätsklinik und der Klägerin bestehenden Rechtsverhältnisses als auch zu den Bedingungen ihres Stipendiums. Diese muss das FG im zweiten Rechtsgang nachholen.
BFH PM Nr. 58 vom 10.12.2020
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