Zur Einkommensteuerpflicht eines Sterbegelds aus einer Pensionskasse
BFH v. 5.11.2019 - X R 38/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2012 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Für ihren gemeinsamen Sohn (S) hatte dessen damaliger Arbeitgeber im Jahr 2004 eine betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse eingerichtet (Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht). Die Beiträge wurden gem. § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt. Versicherte Person sowie Bezugsberechtigter im Erlebensfall war S. Bezugsberechtigte im Todesfall waren die Hinterbliebenen i.S.d. BetrAVG. Der Begriff der "Hinterbliebenen" wurde in einer Anlage zum Versicherungsschein dahingehend erläutert, dass darunter der überlebende Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner, ersatzweise die Kinder und - weiter ersatzweise sowie nur auf besonderen Antrag - auch der überlebende Lebensgefährte zu verstehen seien.
Im Streitjahr 2012 verstarb S. Hinterbliebene i.S.d. BetrAVG waren nicht vorhanden. Erben wurden nach den Ausführungen des FG "die Kläger". Die Pensionskasse teilte dem Kläger am 12.10.2012 mit, durch den Tod des S sei eine "versicherte Leistung" von 8.000 € fällig geworden. Die Zahlung werde gem. § 33 ErbStG dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt. Nach den Ausführungen des FG handelte es sich bei dem Sterbegeld um eine "begrenzte" Leistung. Das Finanzamt erfasste das Sterbegeld als Einkünfte nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und rechnete es - nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 € - allein dem Kläger zu. Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, die Leistung der Pensionskasse falle in den Nachlass und sei daher nicht einkommensteuerpflichtig.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Die Gründe:
Das Urteil des FG ist schon deshalb aufzuheben, weil dieses keine Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen hat, ob die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO überhaupt erfüllt sind. Unabhängig davon weist der Senat auf die folgenden Punkte hin:
Das FG hat sich mit § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG ausschließlich in der Variante "Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen" auseinandergesetzt. Die streitgegenständlichen Leistungen stammten indes nach den eigenen Feststellungen des FG nicht aus einem Altersvorsorgevertrag, sondern aus einer - allerdings ebenfalls in § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG erwähnten - Pensionskasse. Das FG hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, auf welcher Rechtsgrundlage die Pensionskasse die "begrenzte" Leistung des Sterbegelds gezahlt hat. Dies wird noch nachzuholen sein. Sollten sich aus den noch fehlenden Feststellungen zur Rechtsgrundlage keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte ergeben, hält der Senat - wie im Ergebnis auch das FG - das von der Pensionskasse gezahlte Sterbegeld für einkommensteuerpflichtig nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG.
Allein der Umstand, dass das Sterbegeld den Klägern nicht als Bezugsberechtigte, sondern in ihrer Eigenschaft als Miterben nach S zugeflossen ist und der Anspruch gegen die Pensionskasse möglicherweise auch der Erbschaftsteuer unterlegen hat, steht einer Besteuerung nach dem EStG nicht entgegen. Dies folgt zum einen bereits aus der Existenz des Steuerermäßigungstatbestands des § 35b EStG, der eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer gerade voraussetzt. Zum anderen geht auch § 24 Nr. 2 EStG erkennbar davon aus, dass Zahlungen, die dem Steuerpflichtigen - nur - in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger zufließen, der Einkommensteuer unterliegen können.
Der Senat versteht die Ausführungen des FG dahingehend, dass beide Kläger Miterben nach S waren. Vor diesem Hintergrund wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob das Finanzamt zu Recht das gesamte Sterbegeld allein dem Kläger zugerechnet hat. Sollte ein Teil des Sterbegelds der Klägerin zuzurechnen sein, könnte auch diese den Werbungskosten-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG erhalten, wodurch sich eine geringfügige Steuerminderung ergäbe. In Abhängigkeit von der - noch festzustellenden - Rechtsgrundlage des Sterbegelds kann das FG sich zudem noch mit der Frage befassen, ob unter dem Gesichtspunkt einer "Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten" der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren ist. Vorliegend steht die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Sterbegelds noch nicht fest. Sollte es sich um eine Kapitalisierung handeln, könnte der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG eröffnet sein.
Durch die Zurückverweisung erhalten die Kläger zudem Gelegenheit, ihr Vorbringen, im Streitfall sei eine Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer entstanden, zu substantiieren. Sollten die Kläger eine solche Doppelbelastung nachweisen, hätte das FG zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 35b EStG erfüllt wären.
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Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2012 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Für ihren gemeinsamen Sohn (S) hatte dessen damaliger Arbeitgeber im Jahr 2004 eine betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse eingerichtet (Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht). Die Beiträge wurden gem. § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt. Versicherte Person sowie Bezugsberechtigter im Erlebensfall war S. Bezugsberechtigte im Todesfall waren die Hinterbliebenen i.S.d. BetrAVG. Der Begriff der "Hinterbliebenen" wurde in einer Anlage zum Versicherungsschein dahingehend erläutert, dass darunter der überlebende Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner, ersatzweise die Kinder und - weiter ersatzweise sowie nur auf besonderen Antrag - auch der überlebende Lebensgefährte zu verstehen seien.
Im Streitjahr 2012 verstarb S. Hinterbliebene i.S.d. BetrAVG waren nicht vorhanden. Erben wurden nach den Ausführungen des FG "die Kläger". Die Pensionskasse teilte dem Kläger am 12.10.2012 mit, durch den Tod des S sei eine "versicherte Leistung" von 8.000 € fällig geworden. Die Zahlung werde gem. § 33 ErbStG dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt. Nach den Ausführungen des FG handelte es sich bei dem Sterbegeld um eine "begrenzte" Leistung. Das Finanzamt erfasste das Sterbegeld als Einkünfte nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und rechnete es - nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 € - allein dem Kläger zu. Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, die Leistung der Pensionskasse falle in den Nachlass und sei daher nicht einkommensteuerpflichtig.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Die Gründe:
Das Urteil des FG ist schon deshalb aufzuheben, weil dieses keine Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen hat, ob die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO überhaupt erfüllt sind. Unabhängig davon weist der Senat auf die folgenden Punkte hin:
Das FG hat sich mit § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG ausschließlich in der Variante "Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen" auseinandergesetzt. Die streitgegenständlichen Leistungen stammten indes nach den eigenen Feststellungen des FG nicht aus einem Altersvorsorgevertrag, sondern aus einer - allerdings ebenfalls in § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG erwähnten - Pensionskasse. Das FG hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, auf welcher Rechtsgrundlage die Pensionskasse die "begrenzte" Leistung des Sterbegelds gezahlt hat. Dies wird noch nachzuholen sein. Sollten sich aus den noch fehlenden Feststellungen zur Rechtsgrundlage keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte ergeben, hält der Senat - wie im Ergebnis auch das FG - das von der Pensionskasse gezahlte Sterbegeld für einkommensteuerpflichtig nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG.
Allein der Umstand, dass das Sterbegeld den Klägern nicht als Bezugsberechtigte, sondern in ihrer Eigenschaft als Miterben nach S zugeflossen ist und der Anspruch gegen die Pensionskasse möglicherweise auch der Erbschaftsteuer unterlegen hat, steht einer Besteuerung nach dem EStG nicht entgegen. Dies folgt zum einen bereits aus der Existenz des Steuerermäßigungstatbestands des § 35b EStG, der eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer gerade voraussetzt. Zum anderen geht auch § 24 Nr. 2 EStG erkennbar davon aus, dass Zahlungen, die dem Steuerpflichtigen - nur - in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger zufließen, der Einkommensteuer unterliegen können.
Der Senat versteht die Ausführungen des FG dahingehend, dass beide Kläger Miterben nach S waren. Vor diesem Hintergrund wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob das Finanzamt zu Recht das gesamte Sterbegeld allein dem Kläger zugerechnet hat. Sollte ein Teil des Sterbegelds der Klägerin zuzurechnen sein, könnte auch diese den Werbungskosten-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG erhalten, wodurch sich eine geringfügige Steuerminderung ergäbe. In Abhängigkeit von der - noch festzustellenden - Rechtsgrundlage des Sterbegelds kann das FG sich zudem noch mit der Frage befassen, ob unter dem Gesichtspunkt einer "Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten" der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren ist. Vorliegend steht die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Sterbegelds noch nicht fest. Sollte es sich um eine Kapitalisierung handeln, könnte der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG eröffnet sein.
Durch die Zurückverweisung erhalten die Kläger zudem Gelegenheit, ihr Vorbringen, im Streitfall sei eine Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer entstanden, zu substantiieren. Sollten die Kläger eine solche Doppelbelastung nachweisen, hätte das FG zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 35b EStG erfüllt wären.