17.08.2017

Zur erneuten Anordnung des schriftlichen Verfahrens

Kann die Frist des § 128 Abs. 2 S. 3 ZPO zunächst nicht eingehalten werden, kann das Gericht erneut die Zustimmung beider Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren einholen. Auf dieser Grundlage kann es dann gem. § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO erkennen.

BGH 4.7.2017, XI ZR 470/15
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags. Die Parteien schlossen am 23.12.2005 einen Darlehensvertrag über ein Darlehen i.H.v. 580.000 €. Der Sollzins war für zehn Jahre festgeschrieben und betrug 3,6 % p.a. Der effektive Jahreszins belief sich auf 3,66 % p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten Grundschulden. Der Kläger erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. insgesamt 577.500 €. Unter dem 25.4.2013, der Beklagten am selben Tag zugegangen, widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Anschließend erbrachte er bis zum 27.8.2014 weitere Leistungen an die Beklagte i.H.v. 52.500 €, aus denen die Beklagte Nutzungen i.H.v. 920 € zog.

Der Kläger erhob zunächst Klage mit dem Antrag festzustellen, dass "der Darlehensvertrag durch Widerrufserklärung beendet worden" sei. Nachdem ihn das LG im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, es hege Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags, ging der Kläger zur Leistungsklage über. Seiner Klage zuletzt auf Zahlung eines angeblichen Saldos zu seinen Gunsten aus dem Rückgewährschuldverhältnis i.H.v. rd. 31.000 € nebst Zinsen, auf Zahlung von 52.500 € und auf Zahlung weiterer 920 € gab das LG i.H.v. rd. 480 € nebst Zinsen statt. Die weitergehende Klage wies es ab. Gegen die Entscheidung des LG legten der Kläger Berufung und die Beklagte Anschlussberufung ein.

Der Vorsitzende des zuständigen Senats des Berufungsgerichts - OLG - bat mit Verfügung vom 9.6.2015, ausgefertigt am 10.6.2015, die Parteien um Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Der Kläger stimmte am 15.6.2015 und die Beklagte am 19.6.2015 zu. Das OLG ordnete mit Beschluss vom 23.6.2015 das schriftliche Verfahren an, setzte Schriftsatzfrist bis zum 17.7.2015 und bestimmte Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 28.7.2015. Mit Verfügung vom 27.7.2015 verlegte der Vorsitzende den Termin zur Verkündung einer Entscheidung aus dienstlichen Gründen auf den 15.9.2015. Zugleich bat er die Parteien, erneut ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu erklären. Der Kläger stimmte am 4.8.2015 und die Beklagte am 8.8.2015 zu. Das OLG ordnete daraufhin mit Beschluss vom 10.8.2015, ausgefertigt auf den 11.8.2015, erneut das schriftliche Verfahren an, setzte Schriftsatzfrist bis zum 28.8.2015 und verlegte den Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 22.9.2015. Den Verkündungstermin verlegte der Vorsitzende mit Verfügung vom 21.9.2015 aus dienstlichen Gründen nochmals auf den 6.10.2015.

Mit der am 6.10.2015 verkündeten Entscheidung wies das OLG die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat, soweit das LG die Klage abgewiesen hat, zurück. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wies das OLG die Klage vollständig ab. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er nunmehr begehrt, die Beklagte zur Zahlung von rd. 31.900 € nebst Zinsen zu verurteilen. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und änderte das Urteil des LG dahingehend ab, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 31.900 € zu zahlen.

Die Gründe:
Keinen Erfolg hat die Verfahrensrüge der Revision, mit der sie geltend macht, das OLG habe entgegen § 128 Abs. 2 S. 3 ZPO mehr als drei Monate nach Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren ein Urteil gefällt. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann das Gericht dann, wenn die Frist des § 128 Abs. 2 S. 3 ZPO zunächst nicht eingehalten werden kann, erneut die Zustimmung beider Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren einholen und auf dieser Grundlage gem. § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO erkennen. So ist das OLG verfahren.

Rechtsfehlerhaft hat das OLG indessen unterstellt, der Kläger habe nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 1 BGB keinen Anspruch auf Rückgewähr der von ihm auf den Darlehensvertrag erbrachten Tilgungsleistungen und daher auch keinen Anspruch aus § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB auf Herausgabe der mittels dieser Tilgungsleistungen mutmaßlich gezogenen Nutzungen. Zu dem Umfang der sich aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergebenden Pflichten, die die Rückgewähr empfangener Tilgungsleistungen mit einschließen, hat der Senat mit Beschluss vom 12.1.2016 (XI ZR 366/15) umfänglich Stellung genommen und sich eingehend mit den für und wider diese Ansicht vorgetragenen Argumenten befasst. Aufgrund des vorgenannten Rechtsfehlers hat das OLG dem Kläger eine Forderung gegen die Beklagte i.H.v. rd. 32.000 € aberkannt, die dem Kläger tatsächlich zusteht.

Der Kläger hat an die Beklagte vor Zugang des Widerrufs Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. 577.500 € erbracht. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen gerechnet mit zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diese Zins- und Tilgungsleistungen beläuft sich auf rd. 67.300 €. Der Kläger hat nach Zugang des Widerrufs weitere 52.500 € geleistet, die von der Beklagten zu erstatten sind. Die Beklagte hat daraus nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der Revisionsinstanz Nutzungen i.H.v. rd. 920 € gezogen. Daraus ergibt sich ein Gesamtanspruch des Klägers i.H.v. rd. 698.200 €. Abzüglich der vom Kläger gem. § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB geschuldeten Leistung von 580.000 € (Darlehensvaluta) und rd. 86.300 € (Nutzungsersatz in Höhe des Vertragszinses) beläuft sich die restliche Forderung des Klägers nach Aufrechnung noch auf rd. 31.900 €.

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