09.12.2014

Zur Festsetzung von Einfuhrabgaben für Schmuggelzigaretten

Das vorschriftswidrige Verbringen von Waren ist i.S.d. Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex beendet, wenn die Waren den Ort - regelmäßig die Zollstelle -, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt ist. Dies gilt auch dann, wenn der Transport nach dem Passieren der Zollstelle observiert wird.

FG Hamburg 4.9.2014, 4 K 86/14
Der Sachverhalt:
Mit Einfuhrabgabenbescheid aus November 2011 forderte das Hauptzollamt vom Kläger Einfuhrabgaben i.H.v. rund 3,2 Mio. € (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer). Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe in den Jahren 2007 und 2008 zusammen mit gesamtschuldnerisch ebenfalls in Anspruch genommenen weiteren Beteiligten den Transport von zwei Containern organisiert, in denen sich hinter einer Tarnladung über 17 Mio. Stück Zigaretten befunden hätten.

Das Hauptzollamt verwies zur Begründung auch auf das Urteil des LG. Dieses hatte den Kläger zuvor rechtskräftig wegen bandenmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hatte festgestellt, dass der Kläger, mindestens seit 2006 den Schmuggel von Zigaretten, die in Containern hinter einer Tarnladung aus China kommend vom Freihafen Hamburg aus transportiert worden seien, organisiert habe.

Der Kläger war der Ansicht, die Abgaben seien gem. Art. 233 Abs. 1 lit. d Zollkodex erloschen. Die Zigaretten seien vom Hauptzollamt nach Verlassen der Freizonengrenze noch innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs beschlagnahmt worden. Der Container sei verplombt gewesen. Einem Zollbeteiligten stehe es frei, wo er seine Ladung kontrollieren lasse. Der Container habe sich nach dem Passieren der Freizonengrenze nicht im freien Verkehr befunden, er habe den Freihafen ohne Einschränkung verlassen dürfen.

Das FG wies die gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben gerichtete Klage ab.

Die Gründe:
Die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer waren nach Art. 202 Abs. 1 lit. b) Zollkodex, der gem. § 21 Abs. 2 UStG u. § 21 TabStG für diese Abgabenarten entsprechend galt, entstanden.

Das Gericht hatte sich in diesem Fall die Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen des LG zu Eigen gemacht. Sind Vorgänge sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das FG zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich die Feststellungen des Strafgerichts zu Eigen zu machen, wenn diese - wie hier - nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden; zur Übernahme der Feststellungen besteht insbesondere Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung - wie hier - bereits rechtskräftig ist.

Die Abgabenschuld war nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex erloschen. Danach erlischt die Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gem. Art. 202 Zollkodex entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Ein Erlöschen scheidet demnach aus, wenn die Beschlagnahme erfolgte, nachdem die Waren bereits verbracht worden war. Nach EuGH-Rechtsprechung führt die Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der EU verbrachten Waren nur dann zum Erlöschen der Zollschuld, wenn sie erfolgt, bevor die Waren über die erste innerhalb dieses Gebiets liegende Zollstelle hinaus gelangt sind.

Der BFH hat mit Urteil vom 7.3.2006 (Az.: VII R 23/04) erkannt, dass das vorschriftswidrige Verbringen von Waren i.S.v. Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex beendet sei, wenn die Waren den Ort, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen hätten, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt sei, denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes habe die Ware das Innere des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht. Zu diesem Zeitpunkt sei unabhängig von der Frage, auf welchen Bereich sich die örtliche Zuständigkeit einer Zollstelle erstrecke, eine zollamtliche Überwachung der Waren tatsächlich nicht mehr möglich; der Verbringer befinde sich nicht mehr unter den Augen des Zolls, er könne nach Belieben mit der Ware verfahren. Dem folgt auch der erkennende Senat.

Letztlich war auch der Ansicht des Klägers, die Waren hätten wegen der zollamtlichen Beobachtung nicht ungehindert in den Wirtschaftskreislauf eingehen können, weshalb das Verbringen bis zur Beschlagnahme noch nicht abgeschlossen gewesen sei, nicht zu folgen. Denn in jedem Fall hatten die Waren mit dem Passieren der Grenzzollstelle den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung bereits verlassen, die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft waren bereits konkret gefährdet. Die Verfolgung des Lkws bei der weiteren Beförderung des Containers konnte nicht als intensive zollamtliche Überwachung verstanden werden. Es war grundsätzlich möglich, dass der Lkw aus den Augen gerät und es - aus welchen Gründen immer - letztlich nicht zum Zugriff kommt.

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