Zur Frage der Gewinnerzielungsabsicht bei einem selbständig tätigen Rechtsanwalt
FG Münster 25.4.2012, 11 K 1021/10 EDer Kläger ist seit 1990 selbstständig als Rechtsanwalt tätig. Aus seiner Tätigkeit erzielte er seitdem mehrheitlich Verluste. Dabei wurde er zusammen mit seiner Ehefrau veranlagt, die in den Streitjahren 2006 bis 2008 Einkünfte von um die 80.000 € im Jahr aus nichtselbstständiger Arbeit bezog.
In ihrer ESt-Erklärung 2008 erklärten die Kläger erneut einen Verlust des Klägers aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt i.H.v. 3.537 €. Das Finanzamt war daraufhin der Auffassung, dass die Verluste ab 2006 steuerlich nicht anerkannt werden könnten, da es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Der Kläger habe in den Jahren 1990 bis 2008 Verluste von insgesamt 91.938 € erwirtschaftet. Aus der Art der Bewirtschaftung der Kanzlei könne auf Dauer gesehen kein Totalgewinn erzielt werden. Es seien auch keine nötigen Umstrukturierungen getätigt worden.
Die Kläger hielten dagegen, dass bei einem Rechtsanwalt der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass die selbstständige Tätigkeit regelmäßig nicht dazu bestimmt sei, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen. Sie wiesen darauf hin, dass der Kläger eine hohe Zahl an Mandaten zu bearbeiten habe, die allerdings ihre Rechnungen nicht bezahlten. Der Kläger habe Kredite i.H.v. 100.000 DM bei Banken aufgenommen, um sich eine berufliche Existenz aufzubauen.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die geltend gemachten negativen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Klägers waren in den Streitjahren nicht als Einkünfte gem. § 18 EStG anzuerkennen, da dem Kläger das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht fehlte.
Auch bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit ist eine derartige Gewinnerzielungsabsicht zu fordern. Dabei können bei Einkünften aus einem freien Beruf - entgegen der Auffassung der Kläger - keine geringeren Anforderungen gestellt werden, als dies bei gewerblichen Einkünften gem. § 15 Abs. 2 EStG der Fall ist. Vielmehr sind sowohl bei gewerblichen Einkünften als auch bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit jeweils alle Umstände einschließlich etwaiger Besonderheiten der Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Zwar spricht bei einer Anwaltskanzlei der Beweis des ersten Anscheins in der Regel dafür, dass der Anwalt seine Kanzlei in der Absicht betreibt, Gewinne zu erzielen. Schließlich ist ein Unternehmen dieser Art regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (BFH-Urteile vom 31.5.2001, Az.: IV R 81/99 u.a.). Die zitierte Rechtsprechung kann allerdings nicht in der Weise verstanden werden, dass bei einer Anwaltskanzlei automatisch eine Gewinnerzielungsabsicht zu unterstellen ist. Vielmehr entfällt auch bei einer Anwaltskanzlei ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe der Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend waren.
Als relevante Indizien für die Führung eines Verlustbetriebes aus persönlichen Gründen hat die Rechtsprechung - gerade auch im Fall einer Rechtsanwaltskanzlei - im Wesentlichen zwei zu würdigende Umstände entwickelt:
- Zum Einen erscheint es als persönliches Motiv, wenn dem Steuerpflichtigen hohe andere Einkünfte zur Verfügung stehen, mit denen er seine freiberuflichen Verluste verrechnet.
- Zum anderen spricht als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht, wenn es der Steuerpflichtige trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterlässt, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebes zu ergreifen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger seine Anwaltskanzlei aus persönlichen Beweggründen geführt, so dass der bei einer Anwaltskanzlei zunächst für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechende Anscheinsbeweis im Streitfall entfällt. Als Indiz gegen eine Erzielungsabsicht sprach bereits, dass der Kläger aus den von ihm erklärten Verlusten steuerliche Vorteile ziehen würde, da seine Verluste mit den positiven Einkünften der Klägerin im Wege der Zusammenveranlagung zu verrechnen wären.
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