Zur Gewerblichkeit der Tätigkeit einer sog. EDV-Beraterin ohne ausreichende theoretische Grundlagenkenntnisse
Hessisches FG 10.5.2012, 8 K 2576/10Die Klägerin verfügt über kein abgeschlossenes Studium. Sie besitzt aber seit 1989 Erfahrungen im EDV-Bereich und war nach einer gut achtmonatigen Ausbildung zum Systemverwalter SAP R3 in den Jahren 1994/1995 überwiegend entsprechend tätig. Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2003 führte zu einer Überprüfung, ob die Klägerin möglicherweise gewerbliche Einkünfte erzielt habe. Die Klägerin gab an, freiberuflich unterrichtend tätig gewesen zu sein und nur Auftragsbestätigungen zu erhalten.
Das Finanzamt stellte daraufhin fest, dass, wenn die Klägerin tatsächlich unterrichtend tätig sei, dies im Gegensatz zu ihren Angaben in der Steuererklärung stehe, wonach sie sich selbst als EDV-Beraterin bezeichne. Ohne konkreten Nachweis hinsichtlich der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit werde es daher davon ausgehen, dass die Klägerin als EDV-Beraterin tätig sei.
Die Behörde erließ für das Jahr 2003 einen Gewerbesteuermessbescheid. Sie vertrat zudem die Ansicht, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sie über die erforderliche Ausbildung verfüge. Im Laufe des Verfahrens wurden sowohl Arbeitsproben der Klägerin analysiert als auch eine Wissensprüfung unternommen.
Das FG wies daraufhin die gegen den Gewerbesteuermessbescheid gerichtete Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die selbständige Betätigung der Klägerin in den Streitjahren stellte sich nicht als Ausübung eines freien Berufs dar.
Da die Klägerin wegen fehlenden Studiums nicht als Ingenieur tätig war, kam nur eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit in Betracht. Die danach in Tiefe und Breite - einem Ingenieur - vergleichbaren Kenntnisse kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung auch ein Diplom-Informatiker geltend machen. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige - ohne entsprechende Hochschulausbildung - nachweisen kann, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise im Wege der Fortbildung und/oder des Selbststudiums oder ggf. anhand eigener praktischer Arbeiten angeeignet hat. Dies erfordert Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Katalogberufs. Dementsprechend kann auch ein EDV-Berater geltend machen, einen ingenieurähnlichen Beruf auszuüben.
Der Senat vermochte allerdings die Würdigung des Sachverständigen hinsichtlich der Arbeitsproben nicht nachzuvollziehen. Wenn in Teilbereichen Kenntnisse vorhanden sind, die weit über das geforderte Maß hinausgehen, andererseits aber in Teilbereichen überhaupt keine Kenntnisse vorhanden sind, sind die Grundlagen in ihrer Breite nicht nachgewiesen. Dies galt umso mehr, als der Sachverständige hier mehrere relevante Prüfungsfächer des Grundlagenbereiches miteinander vermengt und einheitlich gewürdigt hatte. Dies ist mit der BFH-Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Auch wenn Teilbereiche von Grundlagenfächern zum ausreichend abgedeckten Wissensstand der Klägerin gehören, vermögen sie die an einer Fachhochschule erworbenen Fähigkeiten ihrer Tiefe und Breite nach grundsätzlich nicht zu ersetzen.
Die Klägerin hatte weder durch eigene Weiterbildungsmaßnahmen noch durch ihre Arbeitsproben Kenntnisse im Bereich der Mathematik, der Theoretischen Informatik und der Systemarchitekturen belegt. Aus ihrem beruflichen Werdegang als sog. Seiteneinsteiger mit einer Vorausbildung, die nichts mit EDV zu tun hatte, konnte zudem nicht geschlossen werden, dass sie sich über ihre Spezialisierung auf Unix und SAP R3 hinaus grundlegend mit weitergehenden Fragestellungen auseinandergesetzt hätte. Auch offenbarte die Wissensprüfung in den Grundlagenfächern Mathematik und Theoretische Informatik keine ausreichenden Kenntnisse.
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