01.09.2011

Zur Inanspruchnahme wegen unberechtigten Steuerausweises

Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14 Abs. 3 S. 2 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat; die Grundsätze der Stellvertretung sind dabei zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn jemand in seinem eigenen Namen ein Gewerbe im Interesse eines Dritten, der es tatsächlich betreibt, anmeldet.

BFH 7.4.2011, V R 44/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin meldete im Januar 1994 bei der Stadt A die gewerbliche Tätigkeit "BC/Verlag" (Verlag) an. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass der Verlag ab Mai 1994 an diverse Unternehmen im gesamten Bundesgebiet unaufgefordert circa 464.000 als Rechnungen bezeichnete Formulare verschickt hatte, die für einen Eintrag in ein noch zu erstellendes Telefaxverzeichnis gelten sollten. Nach den Feststellungen des FG war die Erstellung eines Telefaxverzeichnisses tatsächlich jedoch niemals beabsichtigt.

Durch die Übersendung der Rechnungen wurde bei den jeweiligen Empfängern der Eindruck erweckt, bereits einen Auftrag für eine Veröffentlichung in dem Telefaxverzeichnis erteilt zu haben. Der Gesamtbetrag einer "Rechnung" lautete auf 998 DM, die darin enthaltene Umsatzsteuer von 130 DM war offen ausgewiesen. In den Rechnungen war die Klägerin als Firmeninhaberin bezeichnet. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Umsatzsteuer in den Rechnungen zu Unrecht ausgewiesen worden sei. Es setzte unter Berücksichtigung der ermittelten Anzahl der Rechnungen und aufgrund einer Schätzung, dass 90 Prozent der Kunden die Rechnungen nicht bezahlt hätten, die Umsatzsteuer auf rd. 2,4 Mio. € fest.

Mit der Klage machte die Klägerin u.a. geltend, dass sie als Rentnerin weder Aufgaben der Geschäftsführung noch sonst in irgendeiner Form Tätigkeiten für den Verlag übernommen habe. Im Jahr 1993 hätten D und E die Idee des Vertriebs eines privaten Telefaxverzeichnisses umgesetzt, an der auch ihr Sohn beteiligt gewesen sei. Nachdem dieses Unternehmen "aufgeflogen" sei, habe man zur Fortführung der Geschäftsidee eine unbescholtene Person gesucht, die zur Anmeldung eines entsprechenden Gewerbes bereit gewesen sei. Hierzu habe sie sich auf Drängen ihres Sohnes überreden lassen. Die eigentliche Umsetzung der Geschäftsidee sei durch D und F sowie ihren Sohn erfolgt.

Das FG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Umsatzsteuer aus den streitigen Rechnungen nach § 14 Abs. 3 UStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG schuldet.

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14 Abs. 3 S. 1 UStG). Zweck der Regelungen in § 14 Abs. 3 UStG sowie in Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an. Der gesetzliche Tatbestand verlangt weder, dass der Aussteller der Rechnung (bzw. der Urkunde) deren missbräuchliche Verwendung durch den Rechnungsempfänger kennt, noch ist eine dahin gehende Absicht erforderlich.

Die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person kann allerdings nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat oder wenn ihr die Ausstellung zuzurechnen ist. Für Rechnungen sind die für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen entsprechend anwendbar. Aussteller einer Rechnung ist daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur, wer die betreffende Rechnung eigenhändig erstellt hat. Vielmehr sind insoweit die zum Recht der Stellvertretung entwickelten Grundsätze - insbes. auch die zur Anscheins- oder Duldungsvollmacht - zu beachten.

Vorliegend sind die Rechnungen über die angeblichen Telefaxeintragungen der Klägerin jedenfalls aufgrund einer Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Deren Voraussetzungen sind gegeben, weil die Rechnungsempfänger davon ausgehen durften, dass die (angeblichen) Leistungen der auf den Rechnungen als Inhaberin des Verlages aufgeführten Klägerin zuzurechnen waren und die Klägerin, die die Geschäftsführung Dritten überlassen und sich nicht weiter darum gekümmert hat, bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern müssen, dass die unmittelbar Handelnden Rechnungen über nicht ausgeführte Leistungen unter ihrer Firma erstellten. Insoweit kann dahinstehen, ob darüber hinaus die Klägerin das unlautere Geschäftsgebaren ihres Sohnes sowie von D und F kannte und daher bereits die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht gegeben sind.

Soweit der Senat im Urteil in BFH/NV 1999, 525 entschieden hat, der Umstand, dass der Steuerpflichtige ein Gewerbe auf seinen Namen angemeldet habe, das tatsächlich aber von einem anderen betrieben werde, berechtige auch dann nicht zur Zurechnung der unter seinem Namen ausgestellten Rechnungen, wenn er von der Verwendung von auf seinen Namen lautenden Abrechnungen Kenntnis gehabt haben sollte, hält der Senat daran nicht fest.

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