Zur Mehrwertsteuerbefreiung für bestimmte gegen gesondertes Entgelt erbrachte Leistungen von Sportvereinen (hier: Golfclub)
EuGH v. 10.12.2020 - C-488/18
Der Sachverhalt:
Der klagende Golfclub ist ein privatrechtlicher Verein, dessen Zweck die Pflege und Förderung von Golf ist. Hierzu betreibt er einen Golfplatz und die dazugehörigen Anlagen, die er von der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH gepachtet hat. Die Mittel des Golfclubs dürfen nur für die Zwecke seiner Satzung verwendet werden, die vorsieht, dass sein Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fällt. Im Januar 2011 erwarb der Golfclub alle Anteile an der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH zum Preis von 380.000 €. Zur Finanzierung dieses Vorhabens nahm er bei seinen Mitgliedern Darlehen auf, die mit 4 % jährlich verzinst wurden und mit 5 % jährlich getilgt werden sollten.
Im selben Jahr erzielte der Golfclub Einnahmen i.H.v. insgesamt rd. 80.000 € aus folgenden Tätigkeiten: Nutzung des Golfplatzes, Vermietung von Golfbällen, mietweise Überlassung von Caddies, Verkauf eines Golfschlägers, Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Golfclub Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Das Finanzamt weigerte sich, diese Tätigkeiten von der Umsatzsteuer zu befreien. Seiner Ansicht nach sind die Startgelder für Golfveranstaltungen nur dann gem. § 4 Nr. 22 UStG befreit, wenn der Antragsteller eine gemeinnützige Körperschaft i.S.d. §§ 51 ff. AO ist. Dies sei beim Golfclub nicht der Fall, da dessen Satzung keine hinreichend genauen Regelungen zur Vermögensbindung im Fall seiner Auflösung enthalte. Der Erwerb der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH zeige, dass der Golfclub nicht ausschließlich Zwecke ohne Gewinnstreben verfolge. Das Finanzamt erließ daher einen Umsatzsteuerbescheid, mit dem alle genannten Tätigkeiten der Umsatzsteuer unterworfen wurden.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Dagegen wendet sich das Finanzamt mit der Revision. Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und ersucht nunmehr im Wege des Vorabentscheidungsersuchens den EuGH um Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuerrichtlinie), der bestimmt:
Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.
Die Gründe:
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er keine unmittelbare Wirkung hat. Wird durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen sie umgesetzt wird, nur eine begrenzte Zahl in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit, so kann sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben vor den nationalen Gerichten nicht unmittelbar auf diese Vorschrift berufen, um die Befreiung anderer ebensolcher Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu erwirken, die diese Einrichtung für die solche Tätigkeiten ausübenden Personen erbringt und die nach den genannten Rechtsvorschriften nicht befreit sind.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält weder eine abschließende Liste der in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden und von den Mitgliedstaaten von der Steuer zu befreienden Dienstleistungen noch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Befreiung aller ein solches Merkmal aufweisenden Dienstleistungen. Vielmehr ist diese Vorschrift dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten insoweit einen gewissen Ermessensspielraum einräumt. Daher erfüllt sie nicht die Bedingungen, um vor den nationalen Gerichten unmittelbar geltend gemacht werden zu können.
Weiterhin ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben im Sinne dieser Vorschrift ein autonomer unionsrechtlicher Begriff ist, der verlangt, dass eine solche Einrichtung im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder sowie den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigen, nicht an ihre Mitglieder verteilen darf.
Das Fehlen eines Gewinnstrebens setzt voraus, dass die Einrichtung während ihres gesamten Bestehens und auch bei ihrer Auflösung für ihre Mitglieder keine Gewinne erwirtschaftet. Andernfalls könnte eine solche Einrichtung diese Anforderung nämlich dadurch umgehen, dass sie nach ihrer Auflösung die durch ihre gesamten Tätigkeiten erzielten Gewinne an ihre Mitglieder verteilt, obgleich ihr die mit der Einstufung als "Einrichtung ohne Gewinnstreben" verbundenen - insbesondere steuerlichen - Vorteile zugutegekommen sind.
Folglich kann als "Einrichtung ohne Gewinnstreben" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie nur eine Einrichtung eingestuft werden, deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung des von ihr verfolgten Zwecks dient und nach ihrer Auflösung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt.
EuGH online
Der klagende Golfclub ist ein privatrechtlicher Verein, dessen Zweck die Pflege und Förderung von Golf ist. Hierzu betreibt er einen Golfplatz und die dazugehörigen Anlagen, die er von der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH gepachtet hat. Die Mittel des Golfclubs dürfen nur für die Zwecke seiner Satzung verwendet werden, die vorsieht, dass sein Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fällt. Im Januar 2011 erwarb der Golfclub alle Anteile an der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH zum Preis von 380.000 €. Zur Finanzierung dieses Vorhabens nahm er bei seinen Mitgliedern Darlehen auf, die mit 4 % jährlich verzinst wurden und mit 5 % jährlich getilgt werden sollten.
Im selben Jahr erzielte der Golfclub Einnahmen i.H.v. insgesamt rd. 80.000 € aus folgenden Tätigkeiten: Nutzung des Golfplatzes, Vermietung von Golfbällen, mietweise Überlassung von Caddies, Verkauf eines Golfschlägers, Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Golfclub Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Das Finanzamt weigerte sich, diese Tätigkeiten von der Umsatzsteuer zu befreien. Seiner Ansicht nach sind die Startgelder für Golfveranstaltungen nur dann gem. § 4 Nr. 22 UStG befreit, wenn der Antragsteller eine gemeinnützige Körperschaft i.S.d. §§ 51 ff. AO ist. Dies sei beim Golfclub nicht der Fall, da dessen Satzung keine hinreichend genauen Regelungen zur Vermögensbindung im Fall seiner Auflösung enthalte. Der Erwerb der Golfplatz-Y-Betriebs-GmbH zeige, dass der Golfclub nicht ausschließlich Zwecke ohne Gewinnstreben verfolge. Das Finanzamt erließ daher einen Umsatzsteuerbescheid, mit dem alle genannten Tätigkeiten der Umsatzsteuer unterworfen wurden.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Dagegen wendet sich das Finanzamt mit der Revision. Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und ersucht nunmehr im Wege des Vorabentscheidungsersuchens den EuGH um Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuerrichtlinie), der bestimmt:
Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.
Die Gründe:
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er keine unmittelbare Wirkung hat. Wird durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen sie umgesetzt wird, nur eine begrenzte Zahl in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit, so kann sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben vor den nationalen Gerichten nicht unmittelbar auf diese Vorschrift berufen, um die Befreiung anderer ebensolcher Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu erwirken, die diese Einrichtung für die solche Tätigkeiten ausübenden Personen erbringt und die nach den genannten Rechtsvorschriften nicht befreit sind.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält weder eine abschließende Liste der in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden und von den Mitgliedstaaten von der Steuer zu befreienden Dienstleistungen noch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Befreiung aller ein solches Merkmal aufweisenden Dienstleistungen. Vielmehr ist diese Vorschrift dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten insoweit einen gewissen Ermessensspielraum einräumt. Daher erfüllt sie nicht die Bedingungen, um vor den nationalen Gerichten unmittelbar geltend gemacht werden zu können.
Weiterhin ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben im Sinne dieser Vorschrift ein autonomer unionsrechtlicher Begriff ist, der verlangt, dass eine solche Einrichtung im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder sowie den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigen, nicht an ihre Mitglieder verteilen darf.
Das Fehlen eines Gewinnstrebens setzt voraus, dass die Einrichtung während ihres gesamten Bestehens und auch bei ihrer Auflösung für ihre Mitglieder keine Gewinne erwirtschaftet. Andernfalls könnte eine solche Einrichtung diese Anforderung nämlich dadurch umgehen, dass sie nach ihrer Auflösung die durch ihre gesamten Tätigkeiten erzielten Gewinne an ihre Mitglieder verteilt, obgleich ihr die mit der Einstufung als "Einrichtung ohne Gewinnstreben" verbundenen - insbesondere steuerlichen - Vorteile zugutegekommen sind.
Folglich kann als "Einrichtung ohne Gewinnstreben" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie nur eine Einrichtung eingestuft werden, deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung des von ihr verfolgten Zwecks dient und nach ihrer Auflösung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt.