Zur nachträglichen Anrechnung von Kindergeld
Niedersächsisches FG v. 29.10.2018 - 2 K 277/17
Der Sachverhalt:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die im Jahr 1998 geborenen Kinder des Klägers, A und B, sowie die hiermit verbundene Rückforderung von Kindergeld durch die beklagte Familienkasse i.H.v. insgesamt rd. 9.000 € für die Zeiträume Januar 2012 bis Dezember 2014 und Januar 2015 bis Januar 2016. Der Kläger wohnt - und wohnte auch während des streitigen Zeitraums - mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in Z. Für seine Kinder A und B bezog der Kläger seit dem Jahr 1998 Kindergeld in Deutschland. Im Jahr 2000 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Arbeitnehmer in den Niederlanden auf. Die Ehefrau des Klägers bezog eine Rente und war im Streitzeitraum in geringfügigem Umfang gewerblich tätig.
Nachdem die Kinder das 18. Lebensjahr erreicht hatten und der Kläger im Februar 2016 (neuerlich) Kindergeld für seine in der Schulausbildung befindlichen Kinder beantragte, prüfte die Familienkasse aufgrund der - ihr gegenüber erstmals erfolgten - Angabe des Klägers zu seiner Berufstätigkeit in den Niederlanden, ob der Kläger für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume kindergeldberechtigt war. Dazu holte die Familienkasse auch Auskünfte bei der zuständigen niederländischen Trägerin (SVB Y) ein. Eine Weiterleitung des von dem Kläger 2016 bei der Beklagten eingereichten Kindergeldantrags an die SVB Y durch die Familienkasse ist aus der elektronischen Kindergeldakte nicht ersichtlich.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung gem. § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2014 (insgesamt rd. 9.000 €) und für den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2016 (insgesamt rd. 2.500 €) auf. Diese Beträge forderte die Familienkasse von dem Kläger zurück, wies jedoch darauf hin, dass eine Zahlung des auf den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2016 noch nicht erforderlich sei, da insoweit der ausländische (d.h. niederländische) Träger um Erstattung gebeten worden sei. Zudem setzte die Familienkasse ab April 2016 wieder volles Kindergeld für A und B in gesetzlicher Höhe fest, da in den Niederlanden nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, vorliegend mithin für das erste Quartal 2016 Kindergeld gezahlt wurde. Weiterhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für A und B ab dem Monat August 2016 auf mit Verweis auf das Ende der Schulausbildungen beider Kinder.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die beim BFH anhängige Revision wird dort unter dem Az. III R 73/18 geführt.
Die Gründe:
Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie die Aufhebung und Rückforderung festgesetzten Kindergeldes für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2014 betrifft. Die teilweise Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab Januar 2015 (bis einschließlich März 2016) und die damit verbundene Rückforderung des anteiligen Kindergeldes von Januar 2015 bis einschließlich Januar 2016 in der Höhe, in der der Kläger für diesen Zeitraum Kindergeld in den Niederlanden bezogen hat, ist demgegenüber zu Recht erfolgt.
Der in Deutschland wohnende Kläger erfüllt in Bezug auf seine beiden im Streitzeitraum noch minderjährigen Kinder die nationalrechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Kindergeld (§§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, gilt Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004. Die Vorschrift unterscheidet den vorrangig zuständigen Staat, der ohne Weiteres uneingeschränkt Kindergeld zu gewähren hat (Art. 60 Abs. 2 der VO Nr. 987/2009; vgl. auch DA 214.2 Abs. 4, 214.5), vom nachrangig zuständigen Staat, in dem die Ansprüche auf Familienleistungen ausgesetzt werden und zwar bis zur Höhe der vom vorrangig zuständigen Staat vorgesehenen Leistungen (Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004).
Hat der Kindergeldberechtigte für denselben Zeitraum in Deutschland Kindergeld und im anderen Staat eine Familienförderung infolge eines dort selbst gestellten Antrags erhalten und ist die Auszahlung der Familienförderung im anderen Staat nicht aufgrund des in Art. 68 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 vorgeschrieben Verfahrens erfolgt, kommt eine nachträgliche Anrechnung der im anderen Staat gezahlten Familienförderung nach § 70 Abs. 2 EStG oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Betracht.
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Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die im Jahr 1998 geborenen Kinder des Klägers, A und B, sowie die hiermit verbundene Rückforderung von Kindergeld durch die beklagte Familienkasse i.H.v. insgesamt rd. 9.000 € für die Zeiträume Januar 2012 bis Dezember 2014 und Januar 2015 bis Januar 2016. Der Kläger wohnt - und wohnte auch während des streitigen Zeitraums - mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in Z. Für seine Kinder A und B bezog der Kläger seit dem Jahr 1998 Kindergeld in Deutschland. Im Jahr 2000 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Arbeitnehmer in den Niederlanden auf. Die Ehefrau des Klägers bezog eine Rente und war im Streitzeitraum in geringfügigem Umfang gewerblich tätig.
Nachdem die Kinder das 18. Lebensjahr erreicht hatten und der Kläger im Februar 2016 (neuerlich) Kindergeld für seine in der Schulausbildung befindlichen Kinder beantragte, prüfte die Familienkasse aufgrund der - ihr gegenüber erstmals erfolgten - Angabe des Klägers zu seiner Berufstätigkeit in den Niederlanden, ob der Kläger für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume kindergeldberechtigt war. Dazu holte die Familienkasse auch Auskünfte bei der zuständigen niederländischen Trägerin (SVB Y) ein. Eine Weiterleitung des von dem Kläger 2016 bei der Beklagten eingereichten Kindergeldantrags an die SVB Y durch die Familienkasse ist aus der elektronischen Kindergeldakte nicht ersichtlich.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung gem. § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2014 (insgesamt rd. 9.000 €) und für den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2016 (insgesamt rd. 2.500 €) auf. Diese Beträge forderte die Familienkasse von dem Kläger zurück, wies jedoch darauf hin, dass eine Zahlung des auf den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2016 noch nicht erforderlich sei, da insoweit der ausländische (d.h. niederländische) Träger um Erstattung gebeten worden sei. Zudem setzte die Familienkasse ab April 2016 wieder volles Kindergeld für A und B in gesetzlicher Höhe fest, da in den Niederlanden nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, vorliegend mithin für das erste Quartal 2016 Kindergeld gezahlt wurde. Weiterhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für A und B ab dem Monat August 2016 auf mit Verweis auf das Ende der Schulausbildungen beider Kinder.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die beim BFH anhängige Revision wird dort unter dem Az. III R 73/18 geführt.
Die Gründe:
Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie die Aufhebung und Rückforderung festgesetzten Kindergeldes für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2014 betrifft. Die teilweise Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab Januar 2015 (bis einschließlich März 2016) und die damit verbundene Rückforderung des anteiligen Kindergeldes von Januar 2015 bis einschließlich Januar 2016 in der Höhe, in der der Kläger für diesen Zeitraum Kindergeld in den Niederlanden bezogen hat, ist demgegenüber zu Recht erfolgt.
Der in Deutschland wohnende Kläger erfüllt in Bezug auf seine beiden im Streitzeitraum noch minderjährigen Kinder die nationalrechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Kindergeld (§§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, gilt Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004. Die Vorschrift unterscheidet den vorrangig zuständigen Staat, der ohne Weiteres uneingeschränkt Kindergeld zu gewähren hat (Art. 60 Abs. 2 der VO Nr. 987/2009; vgl. auch DA 214.2 Abs. 4, 214.5), vom nachrangig zuständigen Staat, in dem die Ansprüche auf Familienleistungen ausgesetzt werden und zwar bis zur Höhe der vom vorrangig zuständigen Staat vorgesehenen Leistungen (Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004).
Hat der Kindergeldberechtigte für denselben Zeitraum in Deutschland Kindergeld und im anderen Staat eine Familienförderung infolge eines dort selbst gestellten Antrags erhalten und ist die Auszahlung der Familienförderung im anderen Staat nicht aufgrund des in Art. 68 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 vorgeschrieben Verfahrens erfolgt, kommt eine nachträgliche Anrechnung der im anderen Staat gezahlten Familienförderung nach § 70 Abs. 2 EStG oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Betracht.
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