Zur Reichweite einer titulierten Unterlassungsverpflichtung betreffend eine Veröffentlichung im Internet
OLG Celle 21.8.2017, 13 W 45/17Der Antragsgegnerin wurde per einstweiliger Verfügung bei gleichzeitiger Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, verschiedene Äußerungen im Zusammenhang mit einer Berichterstattung der Antragsgegnerin unter dem Titel "Wirbel um belasteten Bauschutt in H." in der Sendung M. vom 13.3.2017 zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Nach Zustellung des Beschlusses am 20.4.2017 entfernte die Antragsgegnerin den Beitrag aus ihrer Mediathek und beantragte eine Löschung bei den gängigen Suchmaschinen, insbesondere bei G.
Eine weitergehende Internetsuche nach etwaiger Weiterverbreitung des Videobeitrages führte die Antragsgegnerin nicht durch. Sie wurde deshalb erst durch den Ordnungsgeldantrag der Antragstellerin darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem 20.4.2017 der streitgegenständliche Bericht noch auf der Videoplattform Y.T. abrufbar war, wo er von dem Nutzer G.S. eingestellt und mindestens 153 mal aufgerufen worden war. Nach Erhalt des Ordnungsmittelantrages nahm die Antragsgegnerin Kontakt mit dem Anbieter von Y.T. auf und sorgte so dafür, dass der Beitrag dort gelöscht wurde.
Das LG gab dem Antrag der Antragstellerin statt und verhängte gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld. Die Antragsgegnerin habe im konkreten Fall nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan, um die Verletzung durch den Y.T.-Nutzer "G.S." zu verhindern. Sie sei wegen der absehbaren Weiterverbreitung des Beitrages aus ihrer Mediathek dazu verpflichtet gewesen, "die gängigsten Plattformen", darunter auch Y.T., unter Nutzung der dortigen Suchfunktion und der Eingabe von Schlagworten nach dem streitgegenständlichen Beitrag zu durchsuchen. Wegen des Verstoßes sei die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 5.000 € erforderlich und angemessen.
Das OLG gab der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin statt. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Antragsgegnerin hat nicht schuldhaft gegen das titulierte Unterlassungsgebot verstoßen, indem sie nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 20.4.2017 nicht dafür gesorgt hat, dass der streitgegenständliche Beitrag aus ihrer Sendung M. auch von der Videoplattform Y.T. entfernt wurde.
Zwar erschöpft sich eine titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht in bloßem Nichtstun. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. Schuldner hat deshalb alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Unterlassungsgebotes zu verhindern. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist daher mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.
Bezogen auf Verstöße durch Aussagen im Internet bedeutet dies, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass die durch die Unterlassungsverpflichtung betroffenen Inhalte seiner Webseite - hier der Beitrag aus der Mediathek der Antragsgegnerin - nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine. Deshalb gehört es zu den Pflichten des Schuldners, nicht nur die betroffenen Inhalte durch Änderung oder Löschung der Webseite zu entfernen, sondern auch die Abrufbarkeit wenigstens über G. als die am häufigsten genutzte Suchmaschine im Internet auszuschließen.
Allerdings hat der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist zwar gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Danach stellt jedoch nicht jedwedes Auftauchen eines früheren Verstoßes im Internet zwingend einen zurechenbaren Verstoß durch den Unterlassungsschuldner dar. Die eigenständige Übernahme von Aussagen, mit der der Unterlassungsschuldner nicht zu rechnen brauchte, hat er ebenso nicht zu vertreten wie eine von ihm nicht veranlasste oder unterstützte, nicht marktbezogene Weiterverbreitung.
Danach hat die Antragsgegnerin vorliegend ihrer Unterlassungsverpflichtung genügt. Sie hat neben der Löschung des Mediathek-Beitrages unstreitig sichergestellt, dass der Beitrag auch nicht mehr über den Cache gängiger Suchmaschinen, insbesondere über G., aufgerufen werden kann. Darüber hinaus war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, eine anlassunabhängige Suche nach einer möglichen Weiterverbreitung ihres Beitrages auf der Videoplattform Y.T. vorzunehmen. Insofern war die Antragsgegnerin vielmehr erst verpflichtet, auf Hinweis des Betroffenen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten tätig zu werden und auf eine Löschung des von einem Dritten veröffentlichten Beitrags hinzuwirken. Dieser Pflicht ist die Antragsgegnerin nach Erhalt des Ordnungsgeldantrages unverzüglich nachgekommen.
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