31.03.2011

Zur rückwirkenden Herabsetzung des Höchstbetrags für außerordentliche Einkünfte auf eine Anteilsveräußerung gem. § 34 Abs. 1 EStG 1990

Die Anwendung des durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform mit Wirkung zum 1.8.1997 von 30 Mio. DM auf 15 Mio. DM herabgesetzten Höchstbetrags für außerordentliche Einkünfte auf eine Anteilsveräußerung im August 1997 verletzt nicht in unzulässiger Weise Vertrauensschutzinteressen des Veräußerers.

BFH 26.1.2011, IX R 81/06
Der Sachverhalt:
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger veräußerte mit notariellem Vertrag vom 25.8.1997 (Streitjahr) seine Anteile von 65 Prozent an der R-GmbH mit Wirkung zum 1.9.1997. Dem vorausgegangen war die Unterzeichnung eines "Memorandum of Understanding" (MOU) am 4.6.1997, das diverse Veräußerungsmodalitäten enthielt.

In der Einkommensteuererklärung 1997 erklärte der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der R-GmbH i.H.v. rd. 16,4 Mio. DM. Das Finanzamt unterwarf diesen Gewinn im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr bis zur Höhe von 15 Mio. DM einem ermäßigten Steuersatz von 26,375 Prozent und besteuerte den darüber hinausgehenden Betrag mit dem allgemeinen Steuersatz.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zutreffend den herabgesetzten Höchstbetrag nach § 34 Abs. 1 EStG a.F. angewandt und eine verfassungswidrige Rückwirkung von dessen Herabsetzung auf die streitige Veräußerung abgelehnt.

Der Höchstbetrag für den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG (halber durchschnittlicher Steuersatz) galt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1990, und zwar i.H.v. 30 Mio. DM. Dieser Höchstbetrag wurde nach dem Beschluss des Vermittlungsausschusses vom 4.8.1997 zum 1.8.1997 auf 15 Mio. DM herabgesetzt, nachdem der Entwurf des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nicht angetastet hatte. Dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses folgten Bundestag (Beschluss vom 5.8.1997) und Bundesrat (Beschluss vom 5.9.1997). Das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform wurde am 29.10.1997 ausgefertigt und am 31.10.1997 verkündet.

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 (2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06) entfaltet ein Steuergesetz nur dann eine - grundsätzlich unzulässige - echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres.

Vorliegend konnten sich die an der Vereinbarung Beteiligten in gewissem Umfang auf eine Änderung der Rechtslage einstellen. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch im Folgejahr unverändert fortbestehen; sie sind vielmehr grundsätzlich in der Lage, ihre wirtschaftlichen Dispositionen an mögliche zukünftige Änderungen anzupassen.

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Einführung des geminderten Höchstbetrags durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform zum 1.8.1997 um eine unechte Rückwirkung. Das Vertrauen des Klägers ist im Streitfall nicht schutzwürdig. Denn die nach dem Beschluss des BVerfG mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs erreichte Öffentlichkeit einer geplanten Gesetzesänderung bewirkte im Streitfall der Beschluss des Vermittlungsausschusses am 4.8.1997. Der Kläger hat die für die Anteilsveräußerung maßgebliche wirtschaftliche Disposition aber erst am 25.8.1997 getroffen, da das MOU vom 4.6.1997 noch keine vertragliche Bindung bewirkte. Auch fehlen Anhaltspunkte dafür, dass das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an den veräußerten Anteilen bereits früher als zum 1.9.1997 - wie vom FG festgestellt - übergegangen wäre.

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