12.03.2020

Zur Steuerbefreiung medizinischer Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik

Medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik können nicht nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, sondern auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sein. Das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist keine Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung i.S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG.

Kurzbesprechung
BFH v. 18.12.2019 - XI R 23/19 (XI R 23/15)

UStG § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Satz 2
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und Buchst. c


§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden". Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist im Lichte des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (vormals: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG -) unionsrechtskonform auszulegen.

Die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL verwendeten Begriffe "ärztliche Heilbehandlungen" bzw. "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Medizinische Analysen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden, können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. In Anbetracht des mit den betreffenden Steuerbefreiungsregelungen verfolgten Zwecks, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, und im Einklang mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln, können medizinische Analysen, die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienen, "ärztliche Heilbehandlungen" oder "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL) sein.

Auf dieser Grundlage hatte das FG den Sachverhalt zureffend dahingehend gewürdigt, dass der Steuerpflichtige als Arzt derartige Heilbehandlungen ausgeführt hat, und, soweit er im Übrigen einer Labor - GmbH organisatorisches Wissen zur Verfügung stellte, die Optimierung von labororganisatorischen Abläufen unterstützte und bei Bedarf in einer Transfusionskommission mitarbeitete, und dass solche Leistungen als Nebenleistungen dem Zweck dienten, dass die GmbH die Hauptleistungen des Steuerpflichtigen unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen konnte.

Der BFH schloss sich im Streitfall der Entscheidung des EuGH im Urteil Peters (EU:C:2019:753, UR 2019, 775) an. Er entschied mit Blick auf das EuGH-Urteil Peters abweichend von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH, der mit Urteil vom 24.08.2017 - V R 25/16 (UR 2017, 961, Rz 9) die Auffassung vertreten hatte, dass medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, nicht aber auch nach Buchst.a dieser Vorschrift steuerfrei sind. Diese Auffassung ist nach Ergehen des EuGH-Urteils Peters überholt.

Der Tatbestand des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG setzt auch kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandelndem voraus. Hierzu hat der EuGH im Urteil Peters entschieden, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 in keiner Weise ergibt, dass diese Bestimmung die Befreiung der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin daran knüpft, dass sie im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen der behandelnden und der behandelten Person erbracht werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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