Zur Steuerpflicht eines Kanzleiabwicklers
Kurzbesprechung
BFH v. 29.4.2020 - XI R 18/19
AO § 33, § 34 Abs. 3, § 122 Abs. 1
BRAO § 53, § 55 Abs. 5
BGB § 670
Streitig war, ob ein Kanzleiabwickler ein Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 AO ist.
Nach § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 AO). Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in § 34 Abs. 1 AO bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht (§ 34 Abs. 3 AO).
Nach § 55 Abs. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann ein Rechtsanwalt zum Abwickler der Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts bestellt werden, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist. Ihm obliegt es, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln und die laufenden Aufträge fortzuführen (§ 55 Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO). Er ist danach auch berechtigt, innerhalb der ersten sechs Monate neue Aufträge anzunehmen. Des Weiteren ist er befugt, Kostenforderungen des früheren Rechtsanwalts im eigenen Namen für Rechnung des früheren Rechtsanwalts geltend zu machen (§ 55 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 BRAO). Er wird zwar in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO). Er darf die Kanzleiräume betreten und die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände einschließlich des der anwaltlichen Verwahrung unterliegenden Treugutes in Besitz nehmen, herausverlangen und hierüber verfügen (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO). Der frühere Rechtsanwalt ist im Gegenzug einerseits zum Ersatz der Aufwendungen des Kanzleiabwicklers (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB) und andererseits zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO).
Im Streitfall war der Steuerpflichtige als Kanzleiabwickler ein Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO.
Der Kanzleiabwickler ist zwar nicht Verwalter des Vermögens des früheren Rechtsanwalts. Soweit es um Vermögenswerte geht, die sich nicht aus dem Kanzleibetrieb ergeben, ist er nicht Vermögensverwalter. Hinsichtlich der ihm nach § 55 BRAO obliegenden Aufgaben ist er aber Vermögensverwalter für den früheren Kanzleiinhaber und insoweit vergleichbar mit einem Zwangsverwalter eines Grundstücks, der ein Vermögensverwalter ist.
Wie beim Zwangsverwalter ist die Verfügungsbefugnis des Abwicklers auf den Teilbereich des Vermögens des von der Abwicklung betroffenen Rechtsanwalts begrenzt, der zu den von ihm abzuwickelnden Angelegenheiten gehört. Der Abwickler hat sowohl die Hauptaufgabe, die laufenden Mandate abzuwickeln, als auch die Aufgabe, das in der abzuwickelnden Kanzlei gebundene Vermögen zu verwalten. Dies betrifft insbesondere den Mandantenstamm (§ 55 Abs. 2 BRAO), der einen Vermögenswert darstellt, aber auch weitere Vermögenswerte, insbesondere das Treugut (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO). Er ist ausdrücklich gemäß § 53 Abs. 10 Satz 2 BRAO gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt nicht weisungsgebunden.
Nach seiner Aufgabenstellung verfügt er insbesondere über das Geschäftskonto des Rechtsanwalts. Er zieht Gebührenansprüche des Rechtsanwalts ein, die dem Rechtsanwalt oder seinen Erben zustehen, ist aber auch zur Auskehrung des von dem früheren Praxisinhaber durch die Geschäftsführung Erlangten verpflichtet (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 667 BGB). Der Erwerb von Büromaterial für die Abwicklung erfolgt für Rechnung des früheren Praxisinhabers. Aus dem vorgefundenen Barvermögen und den eingehenden Gebühren werden u.a. auch die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs und die Vorschüsse auf die spätere Vergütung beglichen.
Die Qualifizierung des Abwicklers i.S. des § 55 BRAO als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO entspricht dem Zweck dieser Vorschrift. So begründet § 34 AO eigene steuerrechtliche Pflichten von Personen, die für steuerrechtsfähige, aber als solche nicht handlungsfähige Steuerrechtssubjekte handeln. Und auch der Kanzleiabwickler handelt für eine steuerrechtsfähige Person, die insoweit steuerrechtlich nicht handlungsfähig ist, z.B. für den ehemaligen Rechtsanwalt, der wegen fehlender Rechtsanwaltszulassung insoweit nicht mehr handeln kann. Mit der Einstufung des Abwicklers als Vermögensverwalter wird damit eine steuerliche Handlungsfähigkeit partiell geschaffen. Durch die Vertretungsregelung des § 34 AO bleiben aber eine Steuerschuldnerschaft des Vertretenen und seine steuerrechtlichen Verpflichtungen unberührt. Der Vermögensverwalter hat die Steuern aus dem verwalteten Vermögen zu entrichten.
Da er die Gebührenansprüche des Rechtsanwalts einzieht, ist es folgerichtig, dass er die darin enthaltene Umsatzsteuer beim FA anmeldet und an das FA abführt (und damit die Aufgabe des Steuereinnehmers des Staates insoweit wahrnimmt), zumal in der Regel § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG Anwendung findet. Soweit seine Vermögensverwaltung reicht, hat er die steuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Neben den Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, die sich auch aus § 55 BRAO ergeben, ist er insbesondere zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen und Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, die sich aus Umsätzen aufgrund der abgewickelten Mandate ergeben. Das betrifft die Eingangs- wie auch die Ausgangsumsätze, die seiner Abwicklung unterliegen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 33, § 34 Abs. 3, § 122 Abs. 1
BRAO § 53, § 55 Abs. 5
BGB § 670
Streitig war, ob ein Kanzleiabwickler ein Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 AO ist.
Nach § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 AO). Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in § 34 Abs. 1 AO bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht (§ 34 Abs. 3 AO).
Nach § 55 Abs. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann ein Rechtsanwalt zum Abwickler der Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts bestellt werden, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist. Ihm obliegt es, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln und die laufenden Aufträge fortzuführen (§ 55 Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO). Er ist danach auch berechtigt, innerhalb der ersten sechs Monate neue Aufträge anzunehmen. Des Weiteren ist er befugt, Kostenforderungen des früheren Rechtsanwalts im eigenen Namen für Rechnung des früheren Rechtsanwalts geltend zu machen (§ 55 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 BRAO). Er wird zwar in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO). Er darf die Kanzleiräume betreten und die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände einschließlich des der anwaltlichen Verwahrung unterliegenden Treugutes in Besitz nehmen, herausverlangen und hierüber verfügen (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO). Der frühere Rechtsanwalt ist im Gegenzug einerseits zum Ersatz der Aufwendungen des Kanzleiabwicklers (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB) und andererseits zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO).
Im Streitfall war der Steuerpflichtige als Kanzleiabwickler ein Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO.
Der Kanzleiabwickler ist zwar nicht Verwalter des Vermögens des früheren Rechtsanwalts. Soweit es um Vermögenswerte geht, die sich nicht aus dem Kanzleibetrieb ergeben, ist er nicht Vermögensverwalter. Hinsichtlich der ihm nach § 55 BRAO obliegenden Aufgaben ist er aber Vermögensverwalter für den früheren Kanzleiinhaber und insoweit vergleichbar mit einem Zwangsverwalter eines Grundstücks, der ein Vermögensverwalter ist.
Wie beim Zwangsverwalter ist die Verfügungsbefugnis des Abwicklers auf den Teilbereich des Vermögens des von der Abwicklung betroffenen Rechtsanwalts begrenzt, der zu den von ihm abzuwickelnden Angelegenheiten gehört. Der Abwickler hat sowohl die Hauptaufgabe, die laufenden Mandate abzuwickeln, als auch die Aufgabe, das in der abzuwickelnden Kanzlei gebundene Vermögen zu verwalten. Dies betrifft insbesondere den Mandantenstamm (§ 55 Abs. 2 BRAO), der einen Vermögenswert darstellt, aber auch weitere Vermögenswerte, insbesondere das Treugut (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO). Er ist ausdrücklich gemäß § 53 Abs. 10 Satz 2 BRAO gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt nicht weisungsgebunden.
Nach seiner Aufgabenstellung verfügt er insbesondere über das Geschäftskonto des Rechtsanwalts. Er zieht Gebührenansprüche des Rechtsanwalts ein, die dem Rechtsanwalt oder seinen Erben zustehen, ist aber auch zur Auskehrung des von dem früheren Praxisinhaber durch die Geschäftsführung Erlangten verpflichtet (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 667 BGB). Der Erwerb von Büromaterial für die Abwicklung erfolgt für Rechnung des früheren Praxisinhabers. Aus dem vorgefundenen Barvermögen und den eingehenden Gebühren werden u.a. auch die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs und die Vorschüsse auf die spätere Vergütung beglichen.
Die Qualifizierung des Abwicklers i.S. des § 55 BRAO als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO entspricht dem Zweck dieser Vorschrift. So begründet § 34 AO eigene steuerrechtliche Pflichten von Personen, die für steuerrechtsfähige, aber als solche nicht handlungsfähige Steuerrechtssubjekte handeln. Und auch der Kanzleiabwickler handelt für eine steuerrechtsfähige Person, die insoweit steuerrechtlich nicht handlungsfähig ist, z.B. für den ehemaligen Rechtsanwalt, der wegen fehlender Rechtsanwaltszulassung insoweit nicht mehr handeln kann. Mit der Einstufung des Abwicklers als Vermögensverwalter wird damit eine steuerliche Handlungsfähigkeit partiell geschaffen. Durch die Vertretungsregelung des § 34 AO bleiben aber eine Steuerschuldnerschaft des Vertretenen und seine steuerrechtlichen Verpflichtungen unberührt. Der Vermögensverwalter hat die Steuern aus dem verwalteten Vermögen zu entrichten.
Da er die Gebührenansprüche des Rechtsanwalts einzieht, ist es folgerichtig, dass er die darin enthaltene Umsatzsteuer beim FA anmeldet und an das FA abführt (und damit die Aufgabe des Steuereinnehmers des Staates insoweit wahrnimmt), zumal in der Regel § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG Anwendung findet. Soweit seine Vermögensverwaltung reicht, hat er die steuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Neben den Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, die sich auch aus § 55 BRAO ergeben, ist er insbesondere zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen und Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, die sich aus Umsätzen aufgrund der abgewickelten Mandate ergeben. Das betrifft die Eingangs- wie auch die Ausgangsumsätze, die seiner Abwicklung unterliegen.