Zur steuerrechtlichen Anerkennung mehrstöckiger Freiberufler-Personengesellschaften
BFH v. 4.8.2020 - VIII R 24/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer KG, deren Gegenstand die gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten sind. Komplementär war im Streitjahr (2008) Rechtsanwalt und Steuerberater A, Kommanditistin die C-KG. An der C-KG waren als Komplementäre die E-OHG mit einem Anteil von 51 % sowie weitere natürliche Personen ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und als Kommanditistin die G+H KG mit einem Anteil von 49 % beteiligt. Die E-OHG und die G+H KG bildeten die oberste Gesellschaftsebene und waren an zahlreichen weiteren Personen- und Kapitalgesellschaften des S-Konzerns beteiligt. Ihr Unternehmensgegenstand stimmte mit dem der C-KG und der Klägerin überein.
Gesellschafter der E-OHG und der G+H KG waren ausschließlich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die in den jeweiligen Obergesellschaften aktiv in die Mandatsbearbeitung eingebunden waren. Sie wurden auch in denjenigen Untergesellschaften leitend und eigenverantwortlich tätig, an denen sie als Komplementär beteiligt oder bei denen sie als Geschäftsführer eingesetzt waren. Bei der Klägerin war dies im Streitjahr nicht der Fall. Im S-Konzern bestanden überregionale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten, in denen u.a. spezielle Fälle, Fachfragen und Arbeitshilfen erarbeitet und diskutiert wurden. Hierbei wirkten einzelne Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten in den Untergesellschaften mit. Jedenfalls in der Klägerin als Untergesellschaft waren sie im Streitjahr nicht in dieser Weise tätig.
Die Obergesellschafter trafen in Gesellschafterversammlungen der E-OHG und der G+H KG Entscheidungen über wesentliche Fragen des Konzerns wie die Finanzierung der Gesellschaften, Investitionen, Forderungsmanagement, Personalstruktur, Umsatzwachstum und Fortbildung. Wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre wurden ebenfalls durch die Obergesellschafter beschlossen. Das Finanzamt stellte für die Klägerin zunächst erklärungsgemäß Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat die Einkünfte der Klägerin zu Recht als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.
Dem Umstand, dass die freie Berufstätigkeit durch die persönliche, qualifizierte Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt wird, ist auch Rechnung zu tragen, wenn sich eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt. Wie der Verweis in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Regelung doppelstöckiger gewerblicher Personengesellschaften in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zeigt, kann es auch im Rahmen des § 18 EStG zu mittelbaren Beteiligungen von Angehörigen eines freien Berufs kommen. Allerdings ist, da sämtliche Gesellschafter-Mitunternehmer der Untergesellschaft die Merkmale des freien Berufs erfüllen müssen und die Obergesellschaft selbst diese Merkmale nicht erfüllen kann, zur Anerkennung einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft erforderlich, dass auch alle mittelbar an der Untergesellschaft beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen. Denn freiberufliche Einkünfte können nicht allein durch das Halten einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung, sondern immer nur dadurch erzielt werden, dass der Steuerpflichtige durch eine eigene Tätigkeit die Merkmale des freien Berufs in seiner Person erfüllt.
Weil jeder Gesellschafter eigenverantwortlich und leitend tätig sein muss, ist zur Anerkennung einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft weiter zu verlangen, dass alle Obergesellschafter - zumindest in geringfügigem Umfang - auch in der Untergesellschaft leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten. Anderenfalls vermitteln sie der Tätigkeit der Untergesellschaft ein schädliches Element der Nichtfreiberuflichkeit. Im Streitfall hat das FG die von der Klägerin erzielten Einkünfte zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert, da hier nicht sämtliche mittelbar an der Klägerin beteiligten Obergesellschafter leitend und eigenverantwortlich in der Klägerin als Untergesellschaft tätig waren.
Eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Obergesellschafter ergibt sich nicht daraus, dass die Obergesellschafter im Rahmen von Gesellschafterversammlungen über wesentliche Fragen des Konzerns wie die Finanzierung der Gesellschaften, Investitionen oder das Umsatzwachstum sowie über wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre getroffen haben. Denn diese Tätigkeiten erfüllen nicht die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es handelt sich vielmehr um geschäftsleitende, kontrollierende und koordinierende kaufmännische Tätigkeiten, die nicht zur berufstypischen freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen. Eine freiberufliche Tätigkeit folgt auch nicht daraus, dass im Konzern überregionale Arbeitsgruppen bestanden, in denen die Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten anderer Untergesellschaften mitgewirkt haben. Denn eine Mitarbeit sämtlicher Obergesellschafter war im Streitfall weder im Hinblick auf die Mandate der Klägerin noch im Hinblick auf die Mandate der anderen Untergesellschaften gegeben.
Letztlich wurde eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin auch nicht dadurch begründet, dass die Obergesellschafter in den Obergesellschaften und zumindest in einer anderen Untergesellschaft des Konzerns als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sind. Denn dies ersetzt nicht das Erfordernis, dass die Obergesellschafter auch in der Klägerin als Untergesellschaft - wenn auch nur in geringem Umfang - leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Dieses "doppelte Tätigkeitserfordernis" ergibt sich bereits daraus, dass auch bei der einstöckigen Personengesellschaft jeder Gesellschafter sowohl im Hinblick auf seine Qualifikation als auch im Hinblick auf die Art und Weise seines Tätigwerdens für die Gesellschaft die Merkmale der Freiberuflichkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen muss, um auf Ebene der Mitunternehmerschaft freiberufliche Einkünfte zu erzielen. Nichts anderes kann für mehrstöckige Personengesellschaften gelten.
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Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer KG, deren Gegenstand die gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten sind. Komplementär war im Streitjahr (2008) Rechtsanwalt und Steuerberater A, Kommanditistin die C-KG. An der C-KG waren als Komplementäre die E-OHG mit einem Anteil von 51 % sowie weitere natürliche Personen ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und als Kommanditistin die G+H KG mit einem Anteil von 49 % beteiligt. Die E-OHG und die G+H KG bildeten die oberste Gesellschaftsebene und waren an zahlreichen weiteren Personen- und Kapitalgesellschaften des S-Konzerns beteiligt. Ihr Unternehmensgegenstand stimmte mit dem der C-KG und der Klägerin überein.
Gesellschafter der E-OHG und der G+H KG waren ausschließlich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die in den jeweiligen Obergesellschaften aktiv in die Mandatsbearbeitung eingebunden waren. Sie wurden auch in denjenigen Untergesellschaften leitend und eigenverantwortlich tätig, an denen sie als Komplementär beteiligt oder bei denen sie als Geschäftsführer eingesetzt waren. Bei der Klägerin war dies im Streitjahr nicht der Fall. Im S-Konzern bestanden überregionale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten, in denen u.a. spezielle Fälle, Fachfragen und Arbeitshilfen erarbeitet und diskutiert wurden. Hierbei wirkten einzelne Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten in den Untergesellschaften mit. Jedenfalls in der Klägerin als Untergesellschaft waren sie im Streitjahr nicht in dieser Weise tätig.
Die Obergesellschafter trafen in Gesellschafterversammlungen der E-OHG und der G+H KG Entscheidungen über wesentliche Fragen des Konzerns wie die Finanzierung der Gesellschaften, Investitionen, Forderungsmanagement, Personalstruktur, Umsatzwachstum und Fortbildung. Wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre wurden ebenfalls durch die Obergesellschafter beschlossen. Das Finanzamt stellte für die Klägerin zunächst erklärungsgemäß Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat die Einkünfte der Klägerin zu Recht als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.
Dem Umstand, dass die freie Berufstätigkeit durch die persönliche, qualifizierte Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt wird, ist auch Rechnung zu tragen, wenn sich eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt. Wie der Verweis in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Regelung doppelstöckiger gewerblicher Personengesellschaften in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zeigt, kann es auch im Rahmen des § 18 EStG zu mittelbaren Beteiligungen von Angehörigen eines freien Berufs kommen. Allerdings ist, da sämtliche Gesellschafter-Mitunternehmer der Untergesellschaft die Merkmale des freien Berufs erfüllen müssen und die Obergesellschaft selbst diese Merkmale nicht erfüllen kann, zur Anerkennung einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft erforderlich, dass auch alle mittelbar an der Untergesellschaft beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen. Denn freiberufliche Einkünfte können nicht allein durch das Halten einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung, sondern immer nur dadurch erzielt werden, dass der Steuerpflichtige durch eine eigene Tätigkeit die Merkmale des freien Berufs in seiner Person erfüllt.
Weil jeder Gesellschafter eigenverantwortlich und leitend tätig sein muss, ist zur Anerkennung einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft weiter zu verlangen, dass alle Obergesellschafter - zumindest in geringfügigem Umfang - auch in der Untergesellschaft leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten. Anderenfalls vermitteln sie der Tätigkeit der Untergesellschaft ein schädliches Element der Nichtfreiberuflichkeit. Im Streitfall hat das FG die von der Klägerin erzielten Einkünfte zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert, da hier nicht sämtliche mittelbar an der Klägerin beteiligten Obergesellschafter leitend und eigenverantwortlich in der Klägerin als Untergesellschaft tätig waren.
Eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Obergesellschafter ergibt sich nicht daraus, dass die Obergesellschafter im Rahmen von Gesellschafterversammlungen über wesentliche Fragen des Konzerns wie die Finanzierung der Gesellschaften, Investitionen oder das Umsatzwachstum sowie über wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre getroffen haben. Denn diese Tätigkeiten erfüllen nicht die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es handelt sich vielmehr um geschäftsleitende, kontrollierende und koordinierende kaufmännische Tätigkeiten, die nicht zur berufstypischen freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen. Eine freiberufliche Tätigkeit folgt auch nicht daraus, dass im Konzern überregionale Arbeitsgruppen bestanden, in denen die Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten anderer Untergesellschaften mitgewirkt haben. Denn eine Mitarbeit sämtlicher Obergesellschafter war im Streitfall weder im Hinblick auf die Mandate der Klägerin noch im Hinblick auf die Mandate der anderen Untergesellschaften gegeben.
Letztlich wurde eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin auch nicht dadurch begründet, dass die Obergesellschafter in den Obergesellschaften und zumindest in einer anderen Untergesellschaft des Konzerns als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sind. Denn dies ersetzt nicht das Erfordernis, dass die Obergesellschafter auch in der Klägerin als Untergesellschaft - wenn auch nur in geringem Umfang - leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Dieses "doppelte Tätigkeitserfordernis" ergibt sich bereits daraus, dass auch bei der einstöckigen Personengesellschaft jeder Gesellschafter sowohl im Hinblick auf seine Qualifikation als auch im Hinblick auf die Art und Weise seines Tätigwerdens für die Gesellschaft die Merkmale der Freiberuflichkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen muss, um auf Ebene der Mitunternehmerschaft freiberufliche Einkünfte zu erzielen. Nichts anderes kann für mehrstöckige Personengesellschaften gelten.