29.09.2016

Zur üblichen Beschaffenheit eines Grundstücks bei Schadstoffbelastung aufgrund früherer Nutzung

Begründet die frühere Nutzung des verkauften Grundstücks die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen, weist es unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel nicht die übliche Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.

BGH 8.7.2016, V ZR 35/15
Der Sachverhalt:
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland war Eigentümerin eines 15.000 qm großen Grundstücks, das Teil des Bundeseisenbahnvermögens (im Folgenden: BEV) war; hierbei handelt es sich um ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes. Seit Zeiten der Reichsbahn waren auf dem Grundstück sechs Gleise verlegt, die bis zum Jahr 1966 für den Bahnbetrieb genutzt wurden. Von 1943 bis 1991 war es an einen Schrotthandel vermietet. Im Dezember 2007 kaufte die Klägerin das Grundstück für rd. 130.000 €.

Im Kaufvertrag wurde die Sachmängelhaftung ausgeschlossen. Es wurde ausdrücklich geregelt, dass das BEV keine Garantie für die Freiheit des Kaufgegenstandes von (näher definierten) Altlasten oder eines hierauf gerichteten Verdachts abgibt. Ferner erklärte das BEV, dass "ihm nichts darüber bekannt ist und dass ihm auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf hinweisen könnten, dass auf der Kauffläche umweltschädigende Stoffe abgelagert oder eingesickert wären. Garantien werden nicht abgegeben." Die Klägerin nutzte das Grundstück zunächst als Abstellfläche für Lastkraftwagen. Im Jahr 2012 wollte sie es bebauen und stellte dabei eine erhebliche Bodenbelastung fest.

Das LG gab der u.a. auf Rückabwicklung des Vertrags, Zahlung von Schadensersatz, Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann weder der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch (§ 437 Nr. 2, §§ 323, 346 BGB) noch der Schadensersatzanspruch (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB) verneint werden.

Als verfahrensfehlerhaft erweist sich insbes. die Annahme des OLG, die frühere Nutzung des Grundstücks als Bahnbetriebsgelände stelle keinen Sachmangel dar. Im Ausgangspunkt kann die frühere Nutzung eines Grundstücks als solche einen offenbarungspflichtigen Sachmangel darstellen. Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet. Ein darauf beruhender Sachmangel ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden für die frühere Nutzung als wilde Müllkippe, als Deponie, als Werksdeponie in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts oder als Tankstelle.

Ob hier das Grundstück in der Vergangenheit auf eine solche Weise genutzt worden ist oder nicht, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen. Hinsichtlich der Nutzung als Schrottplatz nimmt das OLG zwar vertretbar an, dass diese für sich genommen keinen Altlastenverdacht begründe, da die Klägerin besondere, gefahrenträchtige Formen der Schrottlagerung, wie etwa eine Altautoverwertung, nicht behauptet habe. Anders liegt es aber im Hinblick auf den früheren Bahnbetrieb. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass aufgrund eines über Jahrzehnte hinweg erfolgten intensiven Fahr-, Abstell- und Verladebetriebs auf den Bahngleisen die Gefahr einer erheblichen Schadstoffbelastung des Grundstücks - insbesondere durch Schmiermittelverluste, Unkrautbekämpfung und Bahnschwellenimprägnierung entstanden sei, was der Beklagten, namentlich dem fachkundigen BEV, bekannt gewesen sei.

Infolgedessen hätte das OLG dem angebotenen Sachverständigenbeweis nachgehen müssen. Seine Einschätzung, es liege nicht nahe, dass der Eisenbahnbetrieb auf den vorhandenen sechs Gleisen noch heute vorhandene Kontaminationen verursacht habe, erschöpft sich in einer Vermutung und stellt eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher tatsächlichen Grundlage das OLG zu dieser Annahme gelangt ist und warum es über die zur Beurteilung dieser Frage erforderliche Sachkunde verfügt. Gleiches gilt, soweit das OLG aus dem Betrieb der Züge herrührende Verunreinigungen mit der Begründung verneint, es scheine sich um ein kleineres Rangiergelände gehandelt zu haben. Abgesehen davon, dass der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen hat, solche Verunreinigungen könnten gerade durch Rangier- und Abstellgleise verursacht werden, ist für das Revisionsgericht nicht erkennbar, aus welchen konkreten Unterlagen das Berufungsgericht seine Erkenntnisse gewonnen hat und woraus es insoweit seine Sachkunde herleitet.

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