20.01.2014

Zur umsatzsteuerfreien Kreditgewährung im Rahmen eines "Public-Private-Partnership-Projekts"

In Fällen, in denen ein Unternehmer an ein Studentenwerk im Rahmen eines "Public-Private-Partnership-Projekts" eine Werklieferung erbringt, die mit einer 20-jährigen Finanzierung des Bauvorhabens durch ihn verbunden ist, kann neben der Werklieferung eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung an das Studentenwerk vorliegen. Das gilt auch dann, wenn in der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung entgegen Abschn. 3.11. Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UStAE kein Jahreszins angegeben wurde.

BFH 13.11.2013, XI R 24/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2005 ein Bauunternehmen. Sie hatte zuvor mit zwei weiteren Gesellschaftern eine Objektgesellschaft (OG) gegründet. Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der OG als Organgesellschaft bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 d UStG. Die OG wurde in die Sanierung einer Studentenwohnanlage im Rahmen eines sog. "Public-Private-Partnership-Projekts" (PPP-Projekt) - einer vertraglichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Ressourcen einbringenden privatrechtlich organisierten Unternehmen zur Verwirklichung eines Projekts - eingebunden. Deren Träger, das Studentenwerk, sollte weder rechtlich als Bauauftraggeber auftreten noch selbst einen eigenen Kredit aufnehmen.

Zwischen der OG und dem Studentenwerk wurde ein Vertrag geschlossen, der sowohl einen als "Mietvertrag" als auch einen als "Konzessionsvertrag" bezeichneten Teil umfasste. Danach erhielt die OG als Baukonzessionär für die Dauer von 20 Jahren das alleinige Recht auf Nutzung der Wohnheime in Form eines Nießbrauchs gegen Zahlung eines einmaligen Nutzungsentgelts. Sie durfte den Nießbrauch ausschließlich dahingehend ausüben, dass sie die Studentenwohnheime im Rahmen eines alleinigen Mietverhältnisses an das Studentenwerk zur Nutzung überließ. Weiter verpflichtete sich die OG, die Studentenwohnheime auf Grundlage eines Angebots der Klägerin zu sanieren, die Finanzierung des Projekts sicherzustellen und die Objekte für die gesamte Vertragslaufzeit an das Studentenwerk zu vermieten.

Das Finanzamt gelangte nach einer Außenprüfung bei der Klägerin zu dem Ergebnis, dass die OG durch die Sanierung der Gebäude eine Werklieferung erbracht habe. Für die Sanierungen seien sowohl die abgerechneten und bereits umsatzversteuerten Baukosten als auch die darauf entfallenden Finanzierungskosten sowie das Nutzungsentgelt für den der OG eingeräumten Nießbrauch in die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der Werklieferung einzubeziehen. Soweit die OG gegenüber dem Studentenwerk die Bauleistungen kreditiert habe, liege keine eigenständige umsatzsteuerrechtliche Leistung vor.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass neben einer umsatzsteuerpflichtigen Werklieferung i.S.d. § 3 Abs. 4 UStG auch eine eigenständige nach § 4 Nr. 8a UStG umsatzsteuerfreie Kreditgewährung vorlag. Entgegen dem Wortlaut der abgeschlossenen Verträge war die Vorinstanz mit Recht davon ausgegangen, dass die OG gegenüber dem Studentenwerk keine Mietleistungen an Grundstücken, sondern Werklieferungen erbracht hatte. Es hat insoweit zutreffend berücksichtigt, dass die tatsächliche Verfügungsmacht an dem jeweiligen Gebäude nach Abschluss der Sanierungsarbeiten auf das Studentenwerk übergegangen war. Dass das Studentenwerk bereits zuvor bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des jeweiligen Grundstücks war, stand nach § 3 Abs. 4 S. 2 UStG der Annahme einer Werklieferung nicht entgegen.

Die vom FG getroffene Würdigung des Sachverhalts dahingehend, dass - neben der in Übereinstimmung mit den Beteiligten als steuerpflichtige Werklieferung i.S.d. § 3 Abs. 4 UStG eingeordneten Leistung der OG - in der Vorfinanzierung des Bauaufwands eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung liege, war weder widersprüchlich noch verstieß sie gegen Denkgesetze. Infolgedessen war der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden. Im Übrigen hatte das FG auch die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten erforscht und nachvollziehbar gewürdigt.

Soweit Abschn. 29a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UStR - nunmehr Abschn. 3.11. Abs. 2 S. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - als Voraussetzung, unter der die Finanzverwaltung eine mit einer anderen Leistung einhergehende eigenständige Kreditgewährung des Leistenden annimmt, u.a. verlangt, dass in der Vereinbarung über die Kreditgewährung auch der Jahreszins angegeben werden muss, folgte der Senat dem jedenfalls hinsichtlich des hier vorliegenden PPP-Projekts nicht. Denn ist - wie hier - in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls die Kreditierung des Werklieferungsentgelts als eigenständige Leistung zu beurteilen, so kann es nicht darauf ankommen, dass in der geschlossenen Vereinbarung über die Kreditgewährung ein zahlenmäßig feststehender Jahreszins angegeben sein muss.

Linkhinweis:

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