Zur unentgeltlichen Anteilsübertragung
BFH 24.3.2012, IX R 8/10Der Kläger war seit mit drei weiteren Gesellschaftern zu je 25 % an dem Stammkapital der P-GmbH beteiligt. Ende 1997 wurde diese unter Beibehaltung der Beteiligungsverhältnisse in eine AG umgewandelt. Der Kläger wurde Mitglied des Vorstandes der P-AG. Zu Weihnachten 1998 schenkte er der Klägerin 29.500 Aktien der P-AG im Wert von 315.000 DM. Die auf diese Aktien entfallenden Anschaffungskosten des Klägers hatten 50.277 € betragen. Nach mehreren Umwandlungen und einer im Oktober 1999 durchgeführten Erhöhung des Grundkapitals der P-AG vergrößerte sich das Aktienpaket der Klägerin.
Im September 2000 verkaufte die Klägerin 20 000 Aktien der P-AG an ein Bankhaus zu einem Preis von 346.800 €. Mit drei Verträgen aus Oktober 2001 veräußerte die Klägerin jeweils 72.518 Aktien zu einem Preis von jeweils 246.561 €. Die Summe der 217.554 Aktien entsprach einem Anteil von 5,05 % am damaligen Grundkapital der P-AG. Der Verkauf sollte mit Wirkung zum 31.10.2001 erfolgen.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2000 und 2001 gaben die Kläger im Zusammenhang mit den dargestellten Vorgängen keine Einkünfte an. Eine Außenprüfung beim Kläger kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe durch die in den Streitjahren vorgenommenen Veräußerungen von Aktien Gewinne i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erzielt. Nachdem den Klägern der Prüfungsbericht zugegangen war, hoben sie per Ehevertrag die Zugewinngemeinschaft auf und vereinbarten unter Ausgleich des bisher entstandenen Zugewinns die Gütertrennung. In diesem Zusammenhang rechneten die Kläger die von dem Kläger der Klägerin Ende 1998 "ehebedingt" zugewendeten Aktien mit einem Nennwert von 5 DM an.
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ für die Streitjahre Einkommensteueränderungsbescheide. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG war zu Unrecht von steuerbaren Anteilsveräußerungen der Klägerin ausgegangen.
Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt selbst maßgeblich i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG n.F. an der P-AG beteiligt war - die maßgebliche Beteiligungsgrenze von 1 % gilt erst für Veräußerungen ab 2002 -, könnten ihre streitbefangenen Anteilsveräußerungen nur gem. § 17 Abs. 1 S. 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG n.F. steuerbar sein. Die Voraussetzungen hierfür lagen allerdings nicht vor. Die genannten Regelungen sind dahingehend auszulegen, dass sie den Streitfall, in dem der unwesentlich/nicht maßgeblich i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG beteiligte Kläger erst nach der unentgeltlichen Übertragung qua Gesetzesänderung wesentlich/maßgeblich beteiligt wird, nicht erfassen.
Dieser Zweck von § 17 Abs. 1 S. 5 a.F./S. 4 n.F. EStG spricht dafür, dass die wesentliche/maßgebliche Beteiligung des Übertragenden bereits vor dem unentgeltlichen Erwerb des späteren Veräußerers bestanden haben muss. Denn nur die unentgeltliche Weitergabe eines Teils eines steuerverhafteten Anteils kann dazu dienen, eine steuerbare Anteilsveräußerung zu vermeiden. In "besonders qualifizierter Weise erlangt" sind nur Anteile aus einer wesentlichen Beteiligung. Soll sich der spätere Veräußerer als Rechtsnachfolger die Besitzzeit seines wesentlich/maßgeblich beteiligten Rechtsvorgängers anrechnen lassen, setzt dies voraus, dass diese wesentliche Beteiligung im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung bereits bestand.
Nach der Gesetzesfassung 1998 war der Kläger nicht wesentlich beteiligt. Hieran änderte auch die Senkung der Wesentlichkeitsgrenze ab 1999 bzw. 2001 nichts. § 17 Abs. 1 S. 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG n.F. ist insoweit veranlagungszeitraumbezogen auszulegen. Nur so kann dem Interesse des unentgeltlichen Erwerbers an Planungssicherheit Rechnung getragen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Gesetzesfassung von § 17 Abs. 1 S. 5 EStG a.F., wenn gerade nicht wie in § 17 Abs. 1 S. 4 EStG n.F. auf § 17 Abs. 1 S. 1 EStG n.F. wörtlich Bezug genommen wird. Dies gilt unabhängig davon, dass § 17 Abs. 1 S. 1 EStG keinen entsprechenden Veranlagungszeitraumbezug aufweist. Auch § 17 Abs. 2 S. 4b EStG hat der Senat veranlagungszeitraumbezogen betrachtet.
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