Zur Versagung der Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids
FG Düsseldorf 13.3.2014, 14 K 3588/11 EZwischen den Beteiligten ist streitig, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide unter dem Aspekt der widerstreitenden Steuerfestsetzung geändert werden können.
Der Kläger übte seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter in einer Einzelkanzlei aus. Er beschäftigte in den Streitjahren 1998 bis 2000 zwei bzw. drei Rechtsanwälte und einen Hochschulingenieurökonomen, fünf bis sieben Fachkräfte sowie einige Hilfskräfte. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter gewerbliche Einkünfte erzielt habe. Daraufhin erließ es erstmalige Gewerbesteuermessbescheide und geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen insbes. die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte berücksichtigt wurde.
Der Kläger wendete sich gegen die Gewerbesteuermessbescheide und obsiegte letztlich vor dem BFH, der an der Rechtsprechung zur sog. Vervielfältigungstheorie nicht länger festhielt (Urteil vom 15.12.2010). Daraufhin hob das Finanzamt die Gewerbesteuermessbescheide am 27.4.2011 auf. Am 10. bzw. 22.6.2011 erließ es geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000, in denen die Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit behandelt wurden, die zuvor gewährte Tarifbegünstigung indes nicht mehr zum Ansatz kam. Dabei berief sich das Finanzamt auf eine Korrektur wegen widerstreitender Steuerfestsetzung.
Das FG wies die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Annahme eines "einheitlichen Lebenssachverhalts" im Sinne der betreffenden Korrekturvorschrift wendete, ab. Die Revision zum BFH wurde auch hier zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Berücksichtigung eines tariflichen Entlastungsbetrags für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG zu Recht versagt.
Die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide nach § 174 Abs. 4 S. 1 und 2 AO lagen vor. Nach Satz 1 können aus einem bestimmten Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn auf Grund irriger Beurteilung des Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Dies gilt gemäß Satz 2 auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der BFH hat die Gewerbesteuermessbetragsbescheide der Streitjahre auf den Rechtsbehelf des Klägers hin mit Urteil vom 15.12.2010 aufgehoben. Die nachfolgende Aufhebung der Bescheide durch den Beklagten hatte nur noch deklaratorische Wirkung.
Die aufgehobenen Gewerbesteuermessbescheide beruhten auf einer irrigen steuerlichen Beurteilung des für die Besteuerung maßgeblichen Lebenssachverhalts. Dies ist die Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter. Diesen Sachverhalt hat das Finanzamt zunächst irrig beurteilt, indem es davon ausging, dass die Einkünfte gewerbliche Einkünfte darstellten und damit der Gewerbesteuer unterlägen. Diese Annahme hat sich aufgrund des Rechtsbehelfs gegen die Gewerbesteuermessbescheide als irrig erwiesen.
Das Finanzamt durfte durch Änderung der Einkommensteuerbescheide zu Lasten des Klägers die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem irrig beurteilten bestimmten Sachverhalt ziehen. Der Sachverhaltskomplex "Insolvenzverwaltertätigkeit" ist sowohl in den Gewerbesteuermessbescheiden als auch in den Einkommensteuerbescheiden steuerlich zu qualifizieren. Eine Änderung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in der Sache über die Ermittlung des Steuertarifs gestritten worden ist. Die Korrekturvorschrift ist nicht allein im Bereich der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage anwendbar.
Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass der Gewerbesteuermessbescheid kein Grundlagenbescheid für die Ermittlung der Tarifbegrenzung ist. Schließlich ist auch die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, da der Beklagte die Folgerungen aus dem Urteil des BFH innerhalb eines Jahres gezogen hat.
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