13.07.2015

Zur Zuordnung von Steuerschulden im Zusammenhang mit Leibrenten

Zwar folgt nach BFH-Auffassung alleine aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Andererseits hat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch der Insolvenzverwalter die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse.

FG Düsseldorf 20.5.2015, 7 K 1668/14 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bis 2001 als Konkurs-/Insolvenzverwalter tätig und als Rechtsbeistand zugelassen. Über sein Vermögen war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der beigeladene Insolvenzverwalter erwirkte im Februar 2010 vor dem LG die Herausgabe von Lebensversicherungsleistungen für den Zeitraum März 2006 bis November 2007. Das Gericht führte im Wesentlichen aus, die Leistungen würden nicht den Pfändungsschutzvorschriften für Arbeitseinkommen und freiwilliger Berufs-Unfähigkeitsrenten der § 850 ff ZPO i.V.m. § 36 InsO unterfallen und gehörten deshalb gem. § 35 InsO zur Insolvenzmasse. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

 Das OLG führte unter Hinweis auf § 850b Abs.2 ZPO zur Begründung aus, die Renteneinkünfte gehörten in voller Höhe zur Masse, da ihre vollständige Pfändung der Billigkeit entspräche, da der Kläger vor Insolvenzeröffnung die Beiträge zu den Versicherungsprämien aus veruntreutem Vermögen aufgebracht habe und die Zahlungen der Versicherungsleistungen dem beigeladenen Insolvenzverwalter gegenüber nicht angegeben habe. Eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen.

Mangels Abgabe von Steuererklärungen schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für die Streitjahre 2009 bis 2011. Dabei berücksichtigte die Behörde u.a. Einkünfte aus zwei befristeten Leibrenten. Die Beträge waren nicht an den Kläger, sondern an den Insolvenzverwalter ausgezahlt worden. In den angefochtenen Bescheiden ordnete das Finanzamt die auf die Leibrenten entfallenden Steuerschulden dem insolvenzfreien Vermögen des Klägers zu und teilte sie entsprechend ihrem Verhältnis am Gesamtbetrag der Einkünfte auf. Dementsprechend ergingen gegenüber dem Kläger Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011, die teilweise geändert wurden. Der Kläger war der Ansicht, dass die Steuerschuld vom Insolvenzverwalter als Masseschuld auszugleichen sei, da er selbst keine Einnahmen erzielt habe.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.

Die Gründe:
Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 waren rechtswidrig, soweit das Finanzamt die auf die Leibrenten entfallende Einkommensteuer dem insolvenzfreien Vermögen des Klägers zugerechnet hatte. Die hierauf entfallende Steuer gehört vielmehr zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten entsprechend § 55 Abs.1 InsO.

Zwar dürfte die Einkommensteuer, soweit sie auf die Einkünfte des Klägers aus Leibrenten entfällt, nicht schon nach § 55 Abs.1 Nr.1 InsO zu den Masseverbindlichkeiten gehören. Denn nach BFH-Rechtsprechung muss die Entstehung der Schuld i.S.d. Vorschrift auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Daran fehlte es hier, weil die auf die Leibrenten geschuldete Einkommensteuer nicht aufgrund einer Maßnahme des Insolvenzverwalters entstanden war, sondern durch die Einkünfteerzielung des Klägers. Auch aus dem Umstand, dass die Versicherungsleistungen der Masse zugeflossen waren, dürfte sich eine Masseverbindlichkeit hinsichtlich der hierauf geschuldeten Einkommensteuer nicht ergeben haben. Die Tatsache, dass Erträge zur Masse gezogen werden, begründet nicht zwangsläufig, dass auch eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters vorliegt.

Jedenfalls dürfte die auf die Leibrenteneinkünfte des Klägers entfallende Einkommensteuer zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehören. Hiernach sind sonstige Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Zwar schied eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift aus. Allerdings ergab sich aus dem Zusammenhang des § 55 Abs.1 mit § 35 InsO eine entsprechende Anwendung.

Zwar folgt nach BFH-Auffassung alleine aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Andererseits hat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch der Insolvenzverwalter die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse. Wenn die mit einem Neuerwerb zusammenhängenden Verbindlichkeiten ohne Zutun des Insolvenzverwalters zu Masseverbindlichkeiten werden könnten, hätte es der Schuldner in der Hand, die Masse durch Eingehen von Verbindlichkeiten zu schmälern. Dies soll jedoch nicht gegen den Willen des Insolvenzverwalters möglich sein. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Einkommensteuer, wenn sie auf Einkünften beruht, die der Insolvenzverwalter - wie hier - zur Masse gezogen hatte, auch als sonstige Masseverbindlichkeit von der Insolvenzmasse getragen werden muss.

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